Um die Zukunft der Iller wird in Illertissen und Umgebung seit Jahren erbittert gestritten: Auf der einen Seite stehen Umweltschützer, auf der anderen steht das Münchner Unternehmen Fontin, das in einem Wehr bei Dietenheim ein neuartiges Wasserkraftwerk bauen will. Der Konflikt beschäftigt seit längerer Zeit auch die Justiz. Nun könnte ein Abschluss bevorstehen: Am Mittwoch wird die Klage gegen die Baugenehmigung vor dem Verwaltungsgericht in Sigmaringen verhandelt. Darauf dürften viele Menschen in der Region mit Spannung warten. Um was geht es bei dem Rechtsstreit? Hier die Antworten auf die wichtigsten Fragen.
Wie ist die Sachlage: Der Münchner Unternehmer Mathias Fontin will ein Schachtkraftwerk in ein Wehr bei Dietenheim bauen. Es soll die erste von acht Anlagen sein, als weitere Standorte sind unter anderem Illertissen, Dietenheim, Balzheim, Altenstadt und Kellmünz im Gespräch. Der Bau in Dietenheim wurde bereits Ende 2016 vom Landratsamt des Alb-Donau-Kreises in Ulm genehmigt. Bund Naturschutz und Landesfischereiverband Bayern klagten dagegen.
Was ist geplant: In das Wehr eingebaut werden soll ein sogenanntes Schachtkraftwerk. Turbine und Generator befinden sich unter Wasser. Es soll sich um eine umweltfreundliche Technik handeln, sagt Fontin. Der Entwickler, Professor Peter Rutschmann, habe dafür die bayerische Umweltmedaille erhalten. Das Schachtkraftwerk ermögliche, dass Fische, Kleinstlebewesen und auch Steine, die sich auf dem Grund des Flusses bewegen, das Wehr passieren können. Somit werde die geforderte Durchgängigkeit erhöht. Ein feiner Rechen soll Fische zudem davon abhalten, in dem Wehr verletzt zu werden. Durch die 4000 Kilowattstunden Strom könnten 400 Haushalte versorgt werden. Seine Anlagen trügen zur Energiewende bei, sagt Fontin. Das Vorhaben sei im Genehmigungsverfahren geprüft worden. Es erfülle die Vorgabe, das Areal ökologisch aufzuwerten. (Lesen Sie mehr dazu im Interview mit dem Titel „Wir sind keine Wasserkraft-Rambos“).
Bund Naturschutz sieht Renaturierung der Iller in Gefahr
Was kritisieren Umweltschützer: Skeptiker sehen die Illerrenaturierung in dem Bereich in Gefahr. Um eine naturnahe Situation zu erreichen, müsse sich Material auf dem Grund des Flusses frei bewegen können. Das Wehr ist dabei im Weg: Mitgespülte Steine im Flussbett, ein wichtiger Lebensraum für Fische und viele andere Tiere, würden durch das Bauwerk aufgehalten, heißt es. Was das Schachtkraftwerk in der Hinsicht leiste, sei zu wenig. Die 24 Querbauwerke in jenem Bereich müssten stattdessen entfernt oder durch Rampen umgangen werden. Werde das Kraftwerk gebaut, zementiere das die jetzige, als unbefriedigend empfundene Situation auf Jahre. Dazu sagt Bernd Kurus-Nägele, der Geschäftsführer des Bundes Naturschutz im Kreis Neu-Ulm: „Kommt die Anlage, könnten wir die Renaturierung des Flusses für Jahrzehnte vergessen.“ Außerdem werde an der Iller schon genug Strom erzeugt, das Mutterbett führe nur noch einen Bruchteil seiner ursprünglichen Wassermenge. Die Kraftwerke der Münchner Firma hätten nur eine geringe Leistung – zur Energiewende trügen sie deshalb kaum etwas bei. (Lesen Sie dazu auch: Wie die Fischer um eine naturnahe Iller kämpfen).
Wie ist der Rechtsstreit verlaufen: Gegen die Genehmigung des Landratsamts in Ulm hatten Bund Naturschutz und Fischereiverband geklagt und im Eilverfahren Beschwerde eingelegt – Letzteres ohne Erfolg: Die Beschwerde wurde zuerst vom Verwaltungsgericht in Sigmaringen und dann in zweiter Instanz vom Verwaltungsgerichtshof in Mannheim zurückgewiesen. Eine Entscheidung im Hauptsacheverfahren – also in der Klage an sich – steht noch aus. Sie soll am kommenden Mittwoch in Sigmaringen fallen.
Fontin will mit dem Bau von Schachtktraftwerk beginnen
Wie könnte das Verfahren ausgehen: Das ist unklar. Unternehmer Fontin sieht sich im Recht. Darauf deute die Ablehnung des Einspruchs im Eilverfahren (im Herbst 2017) hin. „Es gab nicht die Haaresbreite eines Zweifels an der Zulässigkeit der Anlage“, sagte er damals. Und: „Wir werden sehen, was jetzt passiert.“ Naturschützer setzen hingegen darauf, dass die groß angelegte Renaturierungsaktion des Flusses durch das Projekt „Agile Iller“ den Kraftwerksplänen entgegensteht. Wie im November 2017 bekannt gegeben wurde, wollen Bayern und Baden-Württemberg 70 Millionen Euro für eine naturnahe Gestaltung ausgeben. Das spreche gegen das Kraftwerk, so die Umweltschützer. Sie erhoffen sich eine Gerichtsentscheidung in ihrem Sinne. Außerdem will die Stadt Illertissen an der Iller ein Erlebnisareal errichten, nach Vöhringer Beispiel. Auch das passe nicht mit den Kraftwerksplänen zusammen, so Kurus-Nägele. (Lesen Sie dazu auch: Wie Illertissen das Illerufer zum Erlebnis machen will).
Wie geht es weiter: Das hängt davon ab, wie das Verfahren ausgeht – und ob es überhaupt eine Entscheidung gibt. Die Naturschützer haben bekräftigt, notfalls weitere rechtliche Schritte zu prüfen und weitere Instanzen bemühen zu wollen. Vom Europäischen Gerichtshof war die Rede. Fontin hält seinerseits an dem Projekt fest. Entscheidet das Gericht am Mittwoch in seinem Sinne, dürfte mit einem Baubeginn zu rechnen sein.