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Burgheim: Mit 72 PS und Nähmaschinen in den Osten

Burgheim

Mit 72 PS und Nähmaschinen in den Osten

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    Karlheinz Gensberger (links) und sein Sohn Philipp fuhren mit ihrem 31 Jahre alten Passat von Deutschland aus über 10.000 Kilometer in den Osten. Bei der Rallye nach Zypern ging es nicht etwa um Geschwindigkeit, sondern um einen sozialen Zweck.
    Karlheinz Gensberger (links) und sein Sohn Philipp fuhren mit ihrem 31 Jahre alten Passat von Deutschland aus über 10.000 Kilometer in den Osten. Bei der Rallye nach Zypern ging es nicht etwa um Geschwindigkeit, sondern um einen sozialen Zweck.

    Georgien. Karlheinz und Philipp Gensberger fahren mit ihrem alten Passat gerade mitten durch die Wildnis. Die beiden Männer aus Burgheim und Zuchering nehmen an der Europe Orient Rallye teil, die in Deutschland beginnt und drei Wochen später im Nahen Osten enden wird. Die Straßen sind schlecht, weit und breit ist kein Mensch zu sehen. Ausgerechnet da hat eines der anderen Autos eine Panne. Was nun? Die beiden beschließen, weiterzufahren – um Hilfe zu suchen. Da taucht plötzlich eine ärmliche Hütte vor ihnen auf. Darin haust eine Familie: ein Mann, seine schwangere Frau und zwei Kinder. Die Menschen sind bettelarm, besitzen nur das Nötigste. Dennoch bietet ihnen der Vater sofort Unterstützung an. Gemeinsam schaffen sie es, das liegengebliebene Auto zu reparieren. Zum Dank schenken die Gensbergers dem Mann ein Bobbycar und Winterkleidung. „Die Familie war so überwältigt, einen besseren Ort hätten wir nicht finden können“, erzählt

    Sozialer Hintergrund des Rennens

    Das Rennen hat einen sozialen Hintergrund. Die Fahrer verteilen auf der Strecke Hilfsgüter und die Autos sollen am Ende für einen guten Zweck versteigert werden. Für Philipp Gensberger zählte noch ein weiterer Aspekt: „Die Rallye war eine einzigartige Chance, die Welt von einer neuen Seite kennenzulernen“, erklärt Philipp Gensberger. Seine Anmeldung hätte er allerdings kurzfristig fast wieder zurückziehen müssen. Denn als der Start Mitte Mai näher rückte, sagten ihm seine Freunde, die eigentlich mitfahren wollten ab. Und auch der TÜV bereitete Gensberger erhebliche Schwierigkeiten. Schließlich lösten sich alle Probleme in Wohlgefallen auf: Philipp Gensbergers Vater Karlheinz erklärte sich bereit einzuspringen – und der

    Gummis vom Auspuff gelöst

    Dann ging es los. Der Startschuss fiel in Heilbronn. Vier Tage später trafen sich die Teams in Istanbul wieder. „Schon die erste Etappe war unglaublich anstrengend, da ich gesundheitliche Probleme hatte“, sagt Karlheinz Gensberger. Da bei der Rallye Autobahnen und Mautstraßen verboten waren, mussten sich die Teilnehmer mit ihren Fahrzeugen permanent über schlechte Wege kämpfen. „Zu diesem Zeitpunkt hätte ich kaum gedacht, dass die Straßen noch schlimmer werden könnten“, erinnert sich Philipp Gensberger. Durch die vielen Schlaglöcher hätten sich sogar Gummis vom Auspuff gelöst.

    Obwohl die Männer vielfach vor unnötigen Stopps in Bulgarien gewarnt worden waren, machten sie keine schlechten Erfahrungen. Ein Bulgare reparierte ihnen zum Beispiel ihr Auto und weigerte sich hinterher, Geld dafür anzunehmen. „Dieses Erlebnis bewies uns, dass man auf Vorurteile nichts geben sollte“, betont Philipp. Nach der Grenzüberquerung in die Türkei wurden die Deutschen aufs Neue positiv überrascht. Hunderte Menschen winkten ihnen zu, da sie durchs Fernsehen zu kleinen Berühmtheiten geworden waren. Der türkische Kulturminister Ömer Çelik begleitete sie persönlich auf der Strecke durch Istanbul. Für die insgesamt 70 Autos der Rallye wurde eine zwölfspurige Straße gesperrt, eine Polizeieskorte führte sie Stoßstange an Stoßstange durch die Großstadt. „Da sind wir mit dem Aufruhr beim G20-Gipfel auf Augenhöhe gewesen“, scherzt Philipp Gensberger. In der türkischen Hauptstadt Ankara lernten sie den deutschen Botschafter Martin Erdmann kennen, der den Hut von Karlheinz Gensberger signierte. „Bis 2005 fuhr der das exakt gleiche Auto wie wir“, sagt der Burgheimer und lacht.

    Mit vielen Problemen zu kämpfen

    Auf ihrem Weg nach und durch Georgien hatten die Rallyefahrer mit einigen Herausforderungen zu kämpfen: „In unserem alten Passat mussten wir ständig das Gas ganz durchdrücken“, erzählt der Jüngere. Am Ende sei seine rechte Schuhsohle deshalb kaputt gegangen. Irgendwann stellten die Gensbergers einen Schaden am Katalysator fest, der erst nach dem Besuch mehrerer Werkstätten behoben werden konnte. Und einmal mussten sie sogar in einer zu einem Zeltplatz umformierten Baugrube ohne sanitäre Anlagen übernachten – neben einem Luxushotel. Hinzu kamen die schlechten Straßenverhältnisse: „Hätte man mir die Straßen vorher gezeigt, wäre ich da nicht mal zu Fuß lang gelaufen“, sagt Karlheinz Gensberger und schüttelt den Kopf.

    Da der Iran seine Grenzen geschlossen hatte, führte die Strecke von Georgien weiter südlich in die Türkei. Nach einem Stopp am türkischen Vansee, wo die Fahrer Nähmaschinen an Frauen verschenkten, trafen sie in dem kleinen Ort Urfa auf ehemalige türkische Fußball-Nationalspieler, mit denen sie spontan eine Runde kickten. „Bis auf einen Mitleidstreffer hat der Ball das gegnerische Tor nie berührt“, sagt Philipp Gensberger und lacht. Anschließend verlief die Strecke weiter entlang der syrischen Grenze. Dort bot sich den Rallye-Teilnehmern ein beunruhigender Anblick: ein großes Aufgebot an Militär und Polizei. „An den Kreuzungen in Richtung des Nachbarstaats standen zivile Polizisten. Sie rieten von einer Überquerung oder Annäherung ab und sahen eher Guerilla-Kämpfern ähnlich“, erzählen die Gensbergers.

    Das ursprüngliche Ziel der Europe Orient Rallye waren Israel und Jordanien. Weil sich aber die Sicherheitslage verschlechterte, wurde Zypern zum neuen Ziel erklärt. Mit einer Fähre setzten die Teilnehmer von Mersin aus über. Erst nach 14 Stunden erreichten sie schließlich die Insel. „Unser Weg führte uns in eine schöne, klimatisierte Moschee. Wir waren so fertig, dass wir dort drei Stunden lang in einen Tiefschlaf fielen. Als wir aufwachten, lag ein Schweizer Team neben uns“, erinnert sich Karlheinz Gensberger und lacht. Konsequenzen hätte dies keine gehabt, sie wären nicht einmal schief angeschaut worden.

    In Nordzypern wurden sie vom dortigen Präsidenten Mustafa Akininci in Empfang genommen. „Wir kamen in Badeschlappen und Badehose dort an, überall waren kleine Häppchen vorbereitet. Ich glaube, kaum ein Präsident der Welt würde so etwas in seinem privaten Wohnsitz zulassen“, loben die Gensbergers den Politiker. Damit endete die Rallye nach insgesamt 10.300 Kilometern. Eigentlich sollten alle Autos in Zypern abgegeben und für einen sozialen Zweck an Hilfsorganisationen gespendet werden. Aufgrund widersprüchlicher Aussagen seitens der Organisation beschlossen die Gensbergers aber, mit ihrem Passat wieder nach Hause zu fahren. Jetzt wollen sie das Auto in Neuburg für einen guten Zweck verkaufen oder versteigern.

    „Auf der gesamten Reise gab es keine Situation, in der wir uns nicht sicher gefühlt hätten“, sagt Karlheinz Gensberger. „Die Tour war für alle anstrengend, aber durch die unglaubliche Gastfreundschaft in allen Ländern haben wir nur Positives erlebt.“ Auch sein Sohn Philipp ist noch überwältigt von den Eindrücken der Reise. „Ich würde eine Rallye wie diese sofort wieder machen, allerdings mit einem anderen Ziel.“

    Karlheinz und Philipp Gensberger verkaufen oder versteigern ihren Passat nun für einen guten Zweck. Das Mindestgebot liegt bei 1500 Euro. Wer Interesse an dem Fahrzeug hat, wendet sich an Karlheinz Gensberger unter der Mailadresse Bayerkh@web.de.

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