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Biosprit E10: Die verrückte Welt der Autofahrer

Biosprit E10

Die verrückte Welt der Autofahrer

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    Die verrückte Welt der Autofahrer
    Die verrückte Welt der Autofahrer

    Gersthofen Irgendetwas klemmt in der Waschanlage. Als wäre die ganze Diskussion um E10 nicht stressig genug für die Tankstellen-Pächterin. Sie hat keine Zeit zum Reden. Und Fragen zu dem Thema, das die ganze Autofahrer-Nation in Aufruhr versetzt hat, will sie schon gleich zweimal nicht beantworten. „Da müssen Sie sich an die Pressestelle unserer Zentrale wenden.“ Anweisung von oben.

    E10 – darüber ist doch schon genug geredet worden, sagt die zierliche Frau mit den hochgesteckten langen Haaren. Zu viele hätten sich in den vergangenen Monaten zu Wort gemeldet. Gebracht hat das ganze Gerede wenig, sagt sie. Nur die Verwirrung im Lande, die sei noch größer geworden.

    Aber warum tanken so viele Autofahrer kein E10, obwohl die meisten Wagen den Biosprit doch angeblich gut vertragen? An der Tankstelle in Gersthofen bei Augsburg kostet der Kraftstoff an diesem Tag satte acht Cent weniger als die 1,60 Euro teuren Super und Super Plus. Super und Super Plus kosten gleich viel – wer hätte das vor einigen Monaten für möglich gehalten?

    Aber die Pächterin schüttelt nur den Kopf. Dazu könne sie nichts sagen. Reden sollen besser die anderen, die von oben. Genau das haben sie am Dienstag getan. Geredet, diesmal sogar miteinander. Und nach dem großen Benzingipfel in Berlin, an dem Vertreter der Politik, der Mineralölindustrie und der Automobilhersteller teilgenommen hatten, herrschte demonstrative Einigkeit: An E10 soll festgehalten werden.

    Tags zuvor hatten sich die Verantwortlichen, die dann schiedlich- friedlich an einem Tisch saßen, noch gegenseitiges Versagen vorgeworfen. Doch jetzt soll alles besser werden. Vorbei die Zeiten, in denen sich Politik, Autoindustrie und Mineralölwirtschaft gegenseitig den schwarzen Peter zuschoben. So soll es zumindest sein. Ab sofort lautet die Devise: mehr Information, mehr Transparenz, mehr Klarheit.

    In dem kleinen Supermarkt an der Gersthofer Tankstelle hat sich vor der Kasse eine Schlange gebildet. Ein junger Mann kauft Zigaretten. Seine Augen wandern zu der in Grün und Weiß gehaltenen Informationsbroschüre zum neuen Biobenzin. Die liegt offen da. Kein Kunde kann sie übersehen. Auf der Titelseite: eine blonde Geschäftsfrau mit Zahnpasta-Lächeln und einem E10-Aufkleber am Jackett. Sie blickt dem Mittzwanziger entgegen. Doch der junge Mann lässt sie links liegen, packt seine

    Der ganze Stapel dieser Broschüren des Bundesumweltministeriums, vielleicht 50 Stück, ein einziger Ladenhüter. „Und die, die ihn mitnehmen, werfen ihn meistens gleich hinter dem Ausgang in den nächstgelegenen Mülleimer“, sagt die Tankstellen-Pächterin. Die, die eigentlich nicht reden will.

    „Lesen macht halt Arbeit“, vermutet sie, als hätte sie die Unsicherheit unter den Autofahrern zunehmend satt. In Zukunft soll an jeder Tankstelle eine verbindliche Liste ausliegen, in der jeder Kunde nachlesen kann, ob sein

    Doch die Verwirrung bleibt groß an Deutschlands Zapfsäulen. Laut Mineralölbranche verzichten bis zu 70 Prozent der Autofahrer auf E10, obwohl sie den Biokraftstoff tanken könnten. Weil sie Angst haben, dass der Sprit ihrem Wagen doch nicht so gut bekommt. Weil sie gehört haben, dass mit E10 der Verbrauch höher sei als mit normalem Super. Weil ihnen nun auch noch die Naturschutzverbände in den Ohren liegen, die den Biosprit als Mogelpackung bezeichnen und E10 die Klimafreundlichkeit absprechen – der eigentliche Grund für die Einführung. Schließlich müsse für die Ethanol-Produktion aus Zuckerrüben oder Weizen mehr Ackerland erschlossen werden, wodurch die Kohlendioxid-Emissionen sogar steigen könnten. All das verunsichert die Autofahrer zusehends. Sie zeigen dem Biosprit die kalte Schulter und tanken lieber das teurere Super oder Super Plus.

    Margot Buhl ist so eine. In ihren roten Kleinwagen läuft auch an diesem frühlingshaften Märzmorgen noch das gute, alte Superbenzin. Sicherheitshalber hat sie einen Brief an den Hersteller geschickt. Jetzt wartet sie auf Antwort, ob ihr Wagen den Biosprit auch verträgt. Solange sie keine verbindliche Aussage in schriftlicher Form in Händen habe, werde sich an ihrem Tankverhalten auch nichts ändern, sagt die ältere Dame. Basta.

    Anderen scheint die Diskussion schlicht zu blöd zu werden. Ein junger Mann steht mit verschränkten Armen an der Zapfsäule. Es fällt das böse Wort mit „Sch“. Er redet sich in Rage. Seine Gesichtsfarbe wechselt von Blass in ein dunkles Rot. „Dieses E10 bringt doch überhaupt nichts“, schimpft er. Reine Geldmacherei. Sagt er, schiebt den Zapfhahn zurück in die Halterung und geht.

    Szenenwechsel. Eine Tankstelle in Augsburg. Der Tankwart ist ein freundlicher junger Mann. Als er von den vergangenen Wochen erzählt, umspielt immer wieder ein einnehmendes Lächeln seine Lippen. Die gute Laune ist dem Tankwart mit den kurzen schwarzen Haaren und den zwei goldenen Ohrringen offensichtlich nicht vergangen. Auch wenn er am laufenden Band Zielscheibe von frustrierten Autofahrern wird. Aufs Übelste hätten ihn manche schon beschimpft und ihm jede Befähigung als Tankstellen-Mitarbeiter aberkannt, erinnert er sich.

    Um die Ecke biegt der Wagen einer jungen Frau. Sie trägt Kopftuch. „Verträgt Ihr Auto E10?“, will der Tankwart von ihr wissen. „Das weiß ich nicht“, sagt die Frau in gebrochenem Deutsch. Der Tankwart geht auf Nummer sicher: Er lotst sie zu der Zapfsäule, wo das normale Super angeboten wird. „Ich weiß, dass ihr Auto E10 nicht verträgt“, sagt der junge Mann, als die Frau schon wieder im Auto sitzt. Ihr sagen durfte er es nicht. Er könne nur auf die Liste der Hersteller verweisen. Mehr nicht. Denn sage er etwas Falsches, könne er am Ende dafür belangt werden.

    Und wie geht es mit dem Biokraftstoff jetzt weiter? Der Tankwart weiß es nicht. Die Verunsicherung der Autofahrer spüre er jeden Tag aufs Neue. „Andere zählen Schäfchen, ich zähle die Fragen nach E10“, sagt er und lacht. Er kann noch lachen. Steigen die Preise weiter, vermutet er, werden auch diejenigen, die bisher E10 ablehnen, auf den neuen Kraftstoff umsteigen. Doch wie viele das sein werden, weiß niemand.

    Die nächste Kundin. Eine ältere Dame. Sie poliert gerade ihren Kleinwagen auf Hochglanz. Auch ihr komme E10 nicht in den Tank, sagt sie. Aber der höhere Preis für Super und Super Plus? „Jetzt kommt der Sommer. Dann fahre ich sowieso mit dem Fahrrad.“

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