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Aichach: Inkassobüro schleppte Fremdparker ab - Kläger scheitern

Aichach

Inkassobüro schleppte Fremdparker ab - Kläger scheitern

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    Mehrere Gerichte haben sich bereits mit der Frage auseinandergesetzt, welche Kosten Inkassofirmen Falschparkern in Rechnung stellen dürfen.
    Mehrere Gerichte haben sich bereits mit der Frage auseinandergesetzt, welche Kosten Inkassofirmen Falschparkern in Rechnung stellen dürfen. Foto: Achim Scheidemann, dpa (Symbolbild)

    "Widerrechtlich abgestellte Fahrzeuge werden kostenpflichtig entfernt" – so steht es oft auf Schildern vor Supermärkten oder Arztpraxen. Weil viele Autofahrer ihren Wagen trotzdem dort abstellen, während sie schnell noch woanders etwas besorgen, gehen manche Eigentümer der Stellflächen gegen die Falschparker vor. Supermärkte beispielsweise kümmern sich nicht selbst ums Abschleppen, sondern beauftragen dazu spezielle Unternehmen – zum Beispiel die Parkräume KG, die nach eigenen Angaben bundesweit etwa 3000 Objekte betreut. Sie war auch in der Region Augsburg tätig.

    Für viel Aufregung hat 2007 eine Abschleppaktion auf dem Parkplatz des Norma-Supermarktes in Aichach gesorgt. Im Auftrag des Discounters schleppte das Inkassobüro Autos ab, die länger als die erlaubten 45 Minuten dort standen. Nur wer sofort bis zu 280 Euro bezahlte, erfuhr, wo sein Auto stand. Nach dem Vorfall erstatteten mehrere Autofahrer Anzeige wegen Nötigung. Jetzt, zehn Jahre später, hat das Landgericht Augsburg das Verfahren eingestellt.

    Staatsanwalt und Verteidiger gingen in Berufung

    2009 hatte das Amtsgericht Aichach den heute 61-jährigen Komplementär des Inkassobüros wegen Nötigung und versuchter Nötigung in insgesamt neun Fällen zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr verurteilt. Mehrere Zeugen berichteten, dass sie sich durch das Auftreten des Angeklagten und eines Mitarbeiters unter Druck gesetzt gefühlt hatten. Eine damals 75-Jährige sprach von einem "furchtbaren Erlebnis". Staatsanwalt Franz Wörz sagte: "Wir bewegen uns in einem Bereich, wo wir am Rande der Erpressung und des gewerbsmäßigen Wuchers sind." Staatsanwalt und Verteidiger gingen in Berufung.

    In dem bundesweit von der Justiz beachteten Pilot-Prozess am Landgericht Augsburg ging es in zweiter Instanz um komplizierte Rechtsfragen. Das Gericht stellte unter anderem klar: Das "Zurückbehaltungsrecht" des Parkplatzeigentümers gilt nicht uneingeschränkt, wenn er das abgeschleppte Auto als "Pfand" erst gegen Geld herausrückt. Einen Lehrling, der weder Geld noch EC-Karte dabei hatte, dürfe man nicht stehen lassen, wenn er das Auto brauche, um heimzufahren.

    Gericht: Die Kosten waren unplausibel

    Das Gericht nannte die Kosten von bis zu 277 Euro "unplausibel". Die "Zusatzkosten" für das Inkasso-Unternehmen dürften nicht höher sein als die Abschleppkosten, die in Aichach bei rund 100 Euro lagen. Diese Unverhältnismäßigkeit wertete das Gericht als Nötigung beziehungsweise versuchte Nötigung. Es verhängte eine Geldstrafe von 17.500 Euro. Das Oberlandesgericht München aber hob das Urteil auf und verwies das Verfahren nach Augsburg zurück. Zu einer Verhandlung kam es dort nicht mehr. Denn das Landgericht stellte im Oktober mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft das Verfahren ein, nachdem der Bundesgerichtshof (BGH) in einem vergleichbaren Verfahren gegen den 61-Jährigen einen Freispruch des Landgerichts München im Wesentlichen bestätigt hat.

    Dabei ging es um den Vorwurf der Erpressung und versuchten Erpressung in insgesamt 31 Fällen. Der Angeklagte hatte bei rund der Hälfte der widerrechtlich auf Privatparkplätzen abgestellten Autos Parkkrallen angebracht und teils schon den Abschleppwagen gerufen. Wie es in einer Mitteilung des BGH heißt, wurden oder waren die Autos in den übrigen Fällen bereits abgeschleppt. Auch hier forderte der Mann von den Besitzern Geld, ehe er die Parkkrallen abnahm, den Abschleppvorgang unterbrach oder verriet, wo ihr Auto stand.

    Die BGH-Entscheidung ist als Grundsatzurteil zu sehen

    Zwei Wochen wurde am Münchner Landgericht verhandelt. Im Gegensatz zu dem in Augsburg hielt es die eingeforderten Beträge nicht für überhöht. Der Angeklagte habe sich rechtlich umfassend beraten lassen und daher angenommen, er handle rechtmäßig. Der BGH sah das genauso. Ein Problem war die weitgehend streitige Rechtslage zur Höhe von Abschleppkosten und zum schon erwähnten Zurückbehaltungsrecht an falsch geparkten Autos. Nur in einem Fall, bei dem eine Parkkralle zum Einsatz kam und nach Ansicht des Gerichts überteuerte Kosten verlangt wurden, hob der BGH den Freispruch auf.

    Das Inkassobüro hat schon unzählige Gerichte in Deutschland beschäftigt, die jedoch zu keiner einheitlichen Rechtsauffassung kamen. Matthias Nickolai, Pressesprecher der Staatsanwaltschaft Augsburg, zufolge ist die BGH-Entscheidung als Grundsatzurteil zu sehen. Demnach wären die ursprünglichen Vorwürfe gegen den Angeklagten großteils nicht aufrechtzuerhalten gewesen. Was den verbleibenden Teil anbelangt, sei nur noch von geringem Verschulden auszugehen. 2011 hatte der BGH festgelegt, welche Kosten Abschleppunternehmer von Autofahrern verlangen dürfen: nämlich die für das Abschleppen selbst und für die Vorbereitung – also etwa, wenn der Halter ausfindig gemacht werden muss oder der Abschleppwagen angefordert wird. Kosten für die Parkraumüberwachung zählen demnach nicht dazu.

    Mit dem sogenannten Augsburger "Parkplatz-Sheriff" hat all das übrigens nichts zu tun. Er wurde zu einer Haftstrafe verurteilt, unter anderem wegen Erpressung und Nötigung. Er hatte am Privatparkplatz des Ärztehauses hinter der City-Galerie Falschparker mit einer Art Parkkralle festgesetzt und das Auto nur gegen Sofort-Zahlung von 100 Euro freigegeben. Teils kassierte er Autofahrer ab, die nur zum Wenden auf den Parkplatz fuhren. (mit drx, utz, pli, skro)

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