Der Bundeskanzler hat in Serbien ganz praktisch etwas erreicht, über das Deutschland 20 Jahre lange nur theoretisiert hat. In Belgrad traf er am Freitag mit dem zuständigen EU-Kommissar und dem serbischen Präsidenten Aleksandar Vucic eine Vereinbarung über die Belieferung mit Lithium. Das Leichtmetall ist der Kernbestandteil von Batterien und damit unerlässlich für die deutsche und europäische Autoindustrie, die sich schrittweise vom Verbrennermotor verabschieden wird. „Wir müssen unsere Abhängigkeiten verringern“, sagte Olaf Scholz bei der Verkündung der Übereinkunft. Genau das wird hierzulande seit 2005 zwischen Politik und Wirtschaft diskutiert. Eine Strategie wurde verabschiedet, die Deutsche Rohstoffagentur gegründet, Papiere und Gutachten geschrieben, gehandelt aber haben Industrie und Regierung nur selten.
Seit dem russischen Überfall der Ukraine ist die Welt eine andere. Der Krieg offenbarte Deutschland schonungslos, wie bequem es sich außenpolitisch eingerichtet hatte zwischen billiger Energie aus Russland, Exporterfolgen in China und dem mächtigen militärischen Schutzschirm Amerikas. Vorbei, vorbei.
Deutschland ist bei Seltenen Erden schwer von China abhängig
Bei Gas und Öl hat Deutschland die Abhängigkeit von Russland deutlich gesenkt, bezahlt aber einen hohen ökonomischen Preis dafür. Bei den Metallen hingegen ist die heimische Wirtschaft beinahe vollständig auf Importe angewiesen. Während Kupfer und das besagte Lithium bisher zu gewichtigen Anteilen aus Südamerika eingeführt werden, wohin die Bundesrepublik und die EU belastbare Beziehungen unterhalten, sieht es in puncto Seltene Erde anders aus. Die für Computerchips, Handys, Autos und Windräder benötigten Metalle werden zu 60 Prozent werden aus dem Reich der Mitte importiert.
Die deutsche Industrie ist an dieser Stelle leicht verwundbar. In China unterstehen die Unternehmen der Weisung des Staates. Sollte sich der Handelskrieg zwischen Peking und Washington verhärten oder gar ein heißer Krieg um die Insel Taiwan ausbrechen, wird das chinesische Politbüro nicht zögern, Seltene Erden als Waffe einzusetzen.
Scholz‘ Bemühungen in Belgrad sind richtig, können aber nur ein erster Schritt sein, die Rohstoffversorgung Deutschlands und Europas auf ein breiteres Fundament zu stellen. Doch Achtung, neben der Rechnung für die Bodenschätze werden unschöne Nebenkosten fällig. Beispiel Serbien: Staatschef Vucic ist der starke Mann des Landes, der eine Schaukelpolitik zwischen der EU, Russland und China verfolgt, um das meiste herauszuholen. Zu befürchten ist, dass die normalen Serben wenig von den Gewinnen aus dem Lithium-Abbau haben und sich die korrupte Elite die Taschen füllt. Was die Leute zudem umtreibt, ist die Angst vor belastetem Trinkwasser.
Andere Länder haben den Dreck
Im Jahr 2022 war der Abbau des Metalls genau wegen dieser Sorge abgeblasen worden, jetzt soll in Westserbien doch gefördert werden. Frei nach dem letzten Sächsischen König August III. könnte das Projekt unter dem Titel „Macht doch Euren Dreck alleene“ stehen. Der König bezog sich bei seiner Abdankung 1918 freilich auf das Ende der Monarchie, doch es passt zur europäischen Doppelmoral hinsichtlich des Abbaus von Rohstoffen. Hohe Natur- und Sozialstandards werden auf Papieren festgehalten, in der staubigen Wirklichkeit kommt es häufig zu Umweltverschmutzung, Ausnutzung der Bergleute und Bereicherung der Elite.
Europa könnte durch höhere Preise für bessere Bedingungen in und um die Minen sorgen, doch in der Marktwirtschaft kommt der Profit vor der Moral. Unter dem Aspekt der Versorgungssicherheit haben faire und damit festere Lieferbeziehungen ihren eigenen Wert. Am sichersten ist übrigens der Nachschub an Bodenschätzen aus eigenen Gruben. In Sachsen liegen unter der Erde Lithium und Seltene Erden. Der Abbau letzterer ist aus Umweltsicht eine ziemliche Sauerei. Es ist aber an der Zeit, seinen Dreck wieder alleene zu machen.
"Deutschlands schwieriger Weg zu mehr Unabhängigkeit ... Die Vereinbarung mit Serbien ist ein erster Schritt," Komisch - das bedeutet doch nur eine Abhängigkeit von noch einem (anderen) Land.
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