Botschafter sind in der Regel Menschen mit einem ausgeprägten Sinn für Zwischentöne und Befindlichkeiten. Natürlich vertreten sie die Interessen ihrer Nation, doch es geht immer auch darum, ein Gespür für das Land zu entwickeln, in dem sie dies tun - und in drohenden Konflikten zu deeskalieren. Richard „Ric“ Grenell schert sich nicht um solche Dinge.
Als US-Botschafter in Deutschland verhielt er sich wie ein diplomatischer Bulldozer und versuchte erst gar nicht, zu kaschieren, wie wenig er von hiesigen Politikern oder Wirtschaftsbossen hält. Rechtskonservativ, rhetorisch brachial, latent frauenfeindlich - ein Typ nach dem Geschmack von Donald Trump. Und so ist es nur auf den ersten Blick erstaunlich, dass der 58-Jährige nun als Favorit auf den Posten des US-Außenministers gilt. Für die deutsch-amerikanischen Beziehungen dürfte das keine gute Nachricht sein.
Grenell legt sich mit Bundesfinanzminister Lindner an
Grenell verfolgt auch seit seinem Abschied vor vier Jahren genau, was in Berlin passiert. Erst vor wenigen Tagen giftete er Christian Lindner öffentlich an, nachdem der Bundesfinanzminister für den Fall eines Trump-Comebacks vor einem Handelskrieg zwischen den USA und Europa gewarnt hatte. „Wir müssten dann Vergeltungsmaßnahmen in Betracht ziehen“, sagte der FDP-Chef - und fing sich prompt einen Konter von Grenell ein. Es sei naiv von Lindner, zu glauben, damit die deutsche Wirtschaft auf seiner Seite zu haben.
Als sich das Auswärtige Amt im sozialen Netzwerk X über Trump lustig machte, weil dieser behauptet hatte, Flüchtlinge würden die Haustiere der Amerikaner essen, war Grenell ebenfalls sofort zu Stelle. „Die eklatante Wahlbeeinflussung durch die deutsche Regierung ist schlimmer als die russische und iranische“, polterte er und kündigte Konsequenzen an: „Wir sehen das deutlich und werden entsprechend reagieren.“
Jens Spahn gehört zu den Freunden von Grenell
Diplomatie war gestern. Manche schätzen aber gerade dieses offene Visier. Zu den wenigen Freunden, die sich Grenell in seiner Zeit in Deutschland gemacht hat, gehört Ex-Minister Jens Spahn. Wie der CDU-Politiker lebt auch der Amerikaner in einer Partnerschaft mit einem Mann zusammen. Beide wollen dafür stehen, dass es kein Widerspruch sein muss, gleichzeitig erzkonservativ, schwul und religiös zu sein. Grenell erzählt immer wieder, wie ihn eine Krebserkrankung „näher zu Gott“ gebracht habe. In solchen Momenten wirkt er beinahe nachdenklich. Fest steht: Dieser Mann will in keine Schublade passen.
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