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Nicht ohne Lafontaine

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Nicht ohne Lafontaine

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    Nicht ohne Lafontaine
    Nicht ohne Lafontaine

    Völker, hört die Signale! Wenn Delegierte auf einem Parteitag der Linken die Internationale schmettern, das alte Kampflied der Arbeiterbewegung, ist das normalerweise nicht der Rede wert. Wer, wenn nicht sie, sollte es denn sonst noch tun? In Göttingen allerdings stimmten einige Mitglieder die Sozialistenhymne am Wochenende nicht an, um den Gemeinschaftsgeist zu stärken, sondern um das Trennende zu betonen, das Destruktive. Eine Gruppe West-Linker spottete in Richtung der Ost-Genossen: Hört die Signale…

    Oskar Lafontaine wird es genossen haben. Nachdem es zeitweise so ausgesehen hatte, als sei die Partei dabei, sich fünf Jahre nach der Gründung endlich von ihm zu emanzipieren, hat Göttingen den Rest der Republik nun eines Besseren belehrt. Im Machtkampf zwischen Reformern und Fundamentalisten, zwischen den eher pragmatisch denkenden Landesverbänden im Osten und den vielen Sektierern aus den alten Bundesländern ist der Saarländer der große Sieger. Er musste nicht einmal mehr selbst antreten, um sich seinen Einfluss weiterhin zu sichern. Dafür hat er längst seine Leute.

    Sie haben es geschafft, dass Dietmar Bartsch nicht gewählt wurde, der gegenwärtig vernünftigste Linke. Sie haben den weitgehend unbekannten und politisch unerfahrenen Gewerkschafter Bernd Riexinger an die Parteispitze befördert, einen Vorsitzenden von Lafontaines Gnaden. Sie haben sogar den offenen Bruch mit Gregor Gysi in Kauf genommen, der die Probleme der Linken so schonungslos benannt hat wie niemand vor ihm, der von Hass sprach und selbst eine Spaltung der Partei nicht mehr ausschließen will. Gysis Auftritt war der verzweifelte Versuch, die Grabenkämpfe zu beenden. Gelungen ist es ihm nicht. Im Gegenteil. Gut ein Jahr vor der Bundestagswahl steht die Linke zerrissener denn je da. Lafontaine hat sie sich, wenn man so will, zur Beute gemacht.

    Die Kandidatur von Bartsch war der Versuch, die Partei zu öffnen und ihr etwas von ihrem Stigma des Dagegenseins zu nehmen: Gegen die Rente mit 67. Gegen Hartz IV. Gegen den Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan. Die Frage, ob im deutschen Parteiensystem noch Platz für eine solche Kraft ist, für eine zweite, etwas linkere SPD, beantwortet zwar auch er nicht. Mit Göttingen aber ist diese Frage obsolet geworden. Die Linke bleibt, was Lafontaine aus ihr gemacht hat: ein Sammelbecken für verdrossene Wechselwähler, für notorische Nörgler und selbstgefällige Ideologen – und, nicht zuletzt, ein Mittel zum Zweck für Männer wie Lafontaine, den alten Parteichef Klaus Ernst oder Riexinger, die mit der

    Mit Katja Kipping und Riexinger übernimmt nun ein Duo die Linke, das weder die Autorität noch die Akzeptanz hat, die Partei zu befrieden. Zu groß sind die Fliehkräfte zwischen den Flügeln, zu mächtig die Interessen Einzelner. In den Umfragen ist die Linke auch deshalb auf weniger als die Hälfte der 11,9 Prozent gefallen, die sie bei der letzten Bundestagswahl geholt hat. Wenn nach Ernst und Gesine Lötzsch auch die nächsten Vorsitzenden an dem Versuch scheitern, aus zwei Parteien eine zu machen, werden sich im Osten bald viele Genossen an Gysis Göttinger Brandrede erinnern. Der nächste Schritt wäre dann nur konsequent – aus einer Partei wieder zwei zu machen. Ein Scheitern an der Fünf-Prozent-Hürde im Herbst 2013 könnte der Tropfen sein, der das berühmte Fass zum Überlaufen bringt.

    Wie heißt es noch in der Internationalen? „Uns aus dem Elend zu erlösen, können nur wir selber tun.“ Diese Gelegenheit hat die Linke in Göttingen verpasst.

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