Startseite
Icon Pfeil nach unten
Meinung
Icon Pfeil nach unten

Leitartikel: Griechischer Albtraum

Leitartikel

Griechischer Albtraum

    • |
    Michael Pohl
    Michael Pohl Foto: Fred Schöllhorn

    Es ist eine Nachricht mit Empörungsgarantie: „Die Griechen“ haben bislang nur einen Bruchteil ihrer Sparauflagen für 2012 erfüllt. Fairerweise kann man zugutehalten, dass die Menschen in Griechenland nach drastischen Kürzungen des Mindestlohns und der Renten unter Einkommenseinbußen von über einem Viertel zu leiden haben. Wenn sie noch einen Job haben. Denn die Arbeitslosenquote wuchs in einem Jahr von hohen 16 auf albtraumhafte 25 Prozent. Unter den jungen Griechen hat nicht mal die Hälfte einen Job.

    Auch lähmten das Scheitern zweier Regierungen und zwei Neuwahlen das Land. Die Wahrheit ist aber auch: Griechenland kommt trotz Schuldenschnitt nicht voran, die Krise wird für das Land immer schlimmer. Wirtschaft und Behördenlandschaft ähneln stellenweise Ostdeutschland kurz nach der Wiedervereinigung. Wer meint, das Land könne sich binnen Jahresfrist selbst aus der

    Was Griechenland neben einer völligen Neuorganisation seiner noch immer desaströsen Bürokratie dringend bräuchte, wären ausländische Investitionen, um die Wirtschaft in Gang zu bringen. Der Euro als Standortfaktor könnte hier der einzige Vorteil sein, den ein Verbleib Griechenlands in der Währungszone für das Land haben könnte. Eine Rückkehr zur Drachme mit ihren Verwerfungen und Kursrisiken würde derzeit sicher keinen Investor nach Griechenland locken. Und Volkswirte streiten, ob ein Euro-Austritt Griechenlands die EU billiger oder teurer als die jetzige Krise käme, dem Land helfen oder noch mehr schaden würde.

    In der Politik kommt es oft weniger auf die Wahl der Alternative an als darauf, wie die entsprechenden Ideen und Konzepte umgesetzt werden. Im Fall Griechenland schleppt sich jedoch nicht nur die Athener Regierungspolitik mühsam dahin, sondern auch die europäische Unterstützung. Viel ist von „Marshallplänen“ die Rede, tatsächlich dienten die Rettungsmaßnahmen bislang mehr der Finanzindustrie als den Menschen vor Ort.

    Dennoch ist die von großen Teilen der Opposition mitgetragene Politik Angela Merkels richtig, unter dem Druck der Finanzmärkte Europa nicht auseinanderbrechen zu lassen und zugleich die Haftungsrisiken für Deutschland zu begrenzen. Halten sich die EU-Staaten anders als beim alten Maastricht-Vertrag künftig an die schärferen Schuldengrenzen des Fiskalpakts, wäre dies eine historische Leistung, mit der

    Doch diese Krise ist nicht nur eine Schulden- und längst auch eine Euro-Krise. Sie ist ebenso Teil der seit fast fünf Jahren wütenden internationalen Finanzkrise. Begünstigt vom Fluch zu niedriger Zinsen schwirrt viel zu viel Geld in den Finanzmärkten: Es steckt nicht dort, wo es hingehört, in einer Wirtschaft, die reale Werte schafft, die den Menschen in irgendeiner Form nützen. Stattdessen werden die Billionen vermehrt im Perpetuum mobile einer Finanzindustrie, die immer mächtiger wird.

    Es wird sich deshalb rächen, wenn die Politik nicht endlich der Finanzwelt strengere Regulierungen aufbürdet. Sonst wird in naher Zeit eine nächste Welle der Finanzkrise über den Globus hinwegfegen. Denn die Kunst der Hedgefonds ist es, beim Zerplatzen von Blasen Unsummen Geld zu machen. Nach der zerplatzten US-Immobilienkreditblase und der Schuldenblase Südeuropas blicken angriffslustige Fondsmanager bereits nach China: Sie fragen sich, ob sich hinter dem chinesischen Aufschwung eine weitere gewaltige Blase verbirgt, die sie zur Explosion bringen können. Dann stünde auch die florierende Exportmacht Deutschland vor einem gewaltigen Problem.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden