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Kommentar: Fernsehen ist kein Lagerfeuer

Kommentar

Fernsehen ist kein Lagerfeuer

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    Rupert Huber
    Rupert Huber

    Peer Steinbrück und sein politischer Patenonkel Helmut Schmidt stellen ihr gemeinsames Buch vor. Günther Jauch sitzt dabei, wie er das auch schon getan hat, als Kanzlerin Angela Merkel bei ihm Hof halten durfte. Und erinnern wir uns an die Bambi-Verleihung mit dem Pop-Duo Rosenstolz, das den mit dem Integrationspreis des Hauses Burda ausgezeichneten Rapper Bushido scharf für seine frühen Texte kritisierte, die frauenfeindlich seien und Minderheiten diskriminierten.

    Politische Korrektheit gezielt eingesetzt gegen einen Provokateur, der nun noch mehr Aufmerksamkeit bekommt. Das alles fand statt in der ARD, die immer häufiger zur Plattform mehr oder weniger fremd bestimmter Inszenierungen absteigt.

    Ist das Fernsehen noch tragbar? In dieser Form jedenfalls nicht. Vor allem das Erste sieht offenbar seinen Grundauftrag darin, immer mehr von demselben auf die Mattscheibe zu bringen. Fünf Talkrunden pro Woche mit fragwürdigem Erkenntnisgewinn sind eindeutig zu viel.

    Aber auch das ZDF, das sich beim Polit-Talk mit der Sendung Maybrit Illners begnügt, betrachtet die verwaschen formulierte Grundversorgung unter anderem als Einladung, dem Sport freie Fahrt zu geben. Wir werden wieder viele Wintersonntage erleben, an denen das Erste und die Mainzer abwechselnd den ganzen Tag übertragen, was Biathlon, Skispringen und Langlauf hergeben.

    Das freut die Sportfans, erbost aber alle, die Kultursendungen und Dokumentationen bevorzugen. Es soll auch Menschen geben, die nicht in Jubelschreie ausgebrochen sind, als bekannt wurde, dass das ZDF ab 2012/2013 drei Spielzeiten lang die Fußball-Champions-League überträgt. Für geschätzte 54 Millionen Euro pro Saison, die der Gebührenzahler berappt. Die Quote bestimmt längst die Planungen der Öffentlich-Rechtlichen. Was für die Verantwortlichen eine feine Sache ist. Die Hits ins Töpfchen, die Minderheitsprogramme ins Kröpfchen der digitalen Töchterprogramme. Was heißt, dass etwa Eins Festival Rockkonzerte ausstrahlt und ZDFneo die amerikanische Kultserie „Mad Men“ bringen darf.

    Ist das Fernsehen noch zu retten? Sehen wir mal den sich selbst finanzierenden Privaten nach, dass sie ihr Heil in Kochsendungen, bei Frauen suchenden Bauern und auf dem Boulevard suchen. Aber dass die dritten Programme Landfrauen zwischen Flensburg und Füssen an den Herd schicken, ist schlichtweg einfallslos abgekupfert.

    Bezeichnend für die gegenwärtige Verfassung unseres Fernsehens ist die Diskussion um Thomas Gottschalks Nachfolger bei „Wetten, dass..?“. Die hat sich in einem Maße verselbstständigt, dass man glauben muss, es ginge um Deutschlands Euro-Zukunft.

    Das zögerliche ZDF hat selbst Schuld, wenn sich unaufgefordert Promis melden, die behaupten, sie kämen nicht infrage für eine Show, der man „Lagerfeuer“-Wirkung nachsagt. Der schönste Show-Dampfer taugt nichts, wenn er Schlagseite hat. Man sollte ihn nicht mehr in See stechen lassen.

    Denn wenn Lagerfeuer ein gemeinsames, heimeliges, Generationen umfassendes Erlebnis versprechen soll, ist „Wetten, dass..?“ der falsche Platz. In einer Zeit unterschiedlichster Nutzung der Medien und wachsender Single-Haushalte wird der Klassiker zum Fossil. Bei jungen Leuten spielt sich Unterhaltung nicht auf dem Großbildschirm, sondern auf dem Smartphone ab.

    Nun soll plastisches Fernsehen die Melodie der Zukunft sein: 3-D wie im Kino also. Der deutsche Filmregisseur Wim Wenders wirbt zurzeit für eine Firma, die solche Geräte herstellt. Aber was nützen dreidimensionale Bilder, wenn die Inhalte eindimensional sind?

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