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Kommentar: Eine Partei am Scheideweg

Kommentar

Eine Partei am Scheideweg

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    Eine Partei am Scheideweg
    Eine Partei am Scheideweg

    Natürlich hält die FDP sich eine Hintertür offen. Berichte, nach denen er sich auch eine Koalition mit Sozialdemokraten und Grünen vorstellen kann, lässt Parteichef Philipp Rösler zwar pflichtschuldig dementieren. So kategorisch, wie es klingen soll, ist dieses Dementi allerdings nicht. Seit Entwicklungsminister Dirk Niebel die Union mit dem banalen Satz vergrätzt hat, auch andere Mütter hätten schöne Töchter, werden die Liberalen die A-Frage nicht mehr los. Die nach der Ampel.

    Offiziell ist ein rot-gelb-grünes Regierungsbündnis in der FDP bisher kein Thema – inoffiziell sehr wohl. Mit jedem weiteren Tag, den die schwarz-gelbe Koalition sich dem Ende der Legislaturperiode entgegenquält, werden die Auseinandersetzungen schärfer und die Schnittmengen geringer. Dass die SPD mit dem früheren Finanzminister Peer Steinbrück einen Kandidaten gefunden hat, der auch im liberalen Lager seine Fans hat, verleiht den Spekulationen über eine Ampel nun noch zusätzliche Seriosität. Mit wem, wenn nicht mit ihm? Rösler weiß: Falls es für Rot-Grün nicht reicht, braucht Steinbrück die Freien Demokraten, um Kanzler zu werden.

    Dazu müssten die aber erst einmal den Wiedereinzug in den Bundestag schaffen, was bei Umfragewerten um die fünf Prozent alles andere als ein Selbstläufer ist. Das kurze Zwischenhoch, das sie im Mai noch einmal in die Landtage von Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein getragen hat, ist schon wieder verflogen und Rösler nach wie vor ein Parteichef auf Bewährung. Sollte die FDP im Januar in seiner niedersächsischen Heimat aus dem Parlament fliegen, wird sie ihn in ihrer Verzweiflung ähnlich skrupellos aus dem Amt mobben, wie sie es im vergangenen Jahr mit Guido Westerwelle getan hat.

    Klaus Kinkel und Wolfgang Gerhardt ist es vor ihm nicht anders ergangen: Auf schlechte Wahlergebnisse reagiert die Partei seit jeher mit reflexartigen Personaldebatten. Bei Westerwelle waren die zwar unausweichlich, weil er auch als Person für die alte, irgendwie unsympathisch gewordene FDP stand, die außer ihrem Mantra von den niedrigen Steuern nicht viel zu bieten hatte. Seinem Nachfolger Rösler dagegen hat sie die Zeit, etwas Neues, Nachhaltigeres zu entwickeln, nie wirklich gegeben.

    Vom ersten Tag an stand er unter dem Druck des Gewinnenmüssens, den er mit seinem naiven Versprechen, von nun an werde geliefert, pikanterweise selbst noch erhöht hat. Seitdem klebt an Rösler ein latenter Unfähigkeitsverdacht – unfähig, die Partei zu konsolidieren, und unfähig, der Union Paroli zu bieten. Viele Möglichkeiten, diesen Eindruck zu korrigieren, hat er nicht mehr: Auf das ungeliebte Betreuungsgeld wird die CSU nicht verzichten, gegen das Entschärfen der Steuerprogression sperrt sich der Bundesrat und in der Energiepolitik gibt nicht der Wirtschafts-, sondern der Umweltminister den Ton an. Für all das ist Rösler nicht alleine verantwortlich, im Gegenteil. In seiner ruhigen, fast schon schüchternen Art aber eignet der 39-Jährige sich wie wenige Liberale sonst als Projektionsfläche für den gesammelten Frust der Partei.

    Bisher hat die weder einen überzeugenden Spitzenkandidaten noch eine Antwort auf die A-Frage. Niebels Versuch, die FDP für eine Art Mindestlohn light zu gewinnen, ist schon im Ansatz gescheitert – und auch bei der Rente oder in der Gesundheitspolitik argumentieren die Freidemokraten zwar ordnungspolitisch sauber, vielen Wählern aber zu kühl und herzlos. Mit einer solchen FDP würde eine Ampelkoalition kaum funktionieren. Mit einer FDP, die sich 30 Jahre nach der historischen Wende in Bonn wieder an ihre sozialliberale Vergangenheit erinnert, schon eher.

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