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Kommentar: Die Ampel und das Bürgergeld: Wenig fordern, viel fördern

Kommentar

Die Ampel und das Bürgergeld: Wenig fordern, viel fördern

Rudi Wais
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    Das Bürgergeld war ein Wahlkampfschlager der SPD. Aber hält es auch, was es verspricht?
    Das Bürgergeld war ein Wahlkampfschlager der SPD. Aber hält es auch, was es verspricht? Foto: Jens Kalaene, dpa

    Das Trauma hatte einen Namen – und der Therapeut ein ehrgeiziges Ziel. Um Kanzler zu werden, versprach Olaf Scholz vor drei Jahren im Wahlkampf nicht nur eine Erhöhung des Mindestlohns von 9,50 auf zwölf Euro, sondern auch die Abschaffung von Hartz IV. Dass er die umstrittene Sozialreform als Generalsekretär der SPD mit auf den Weg gebracht und sie später als Arbeitsminister mitzuverantworten hatte, blendete der Kandidat dabei wohlweislich aus. Höhere Sätze, kaum noch Sanktionen und großzügigere Regelungen für den Umgang mit Vermögen oder die Größe der Wohnung, die das Amt bezahlt: Die Pläne für das neue Bürgergeld, das an die Stelle von Hartz IV treten sollte, waren einer der Wahlkampfschlager der SPD.

    Tatsächlich hat das Bürgergeld mehr Probleme geschaffen als gelöst. Die Erhöhung um zwölf Prozent zum Jahresanfang empfinden viele Beschäftigte, die mit deutlich geringeren Lohnerhöhungen auskommen müssen, als ungerecht, wenn nicht gar als Provokation. Dass etwa die Hälfte der Bürgergeld-Bezieher, die im vergangenen Jahr eine Stelle angetreten haben, nach drei Monaten schon wieder bei den Job-Centern vorstellig wurde, führt das Versprechen von der nachhaltigen Vermittlung ebenso ad absurdum wie die drei Millionen Menschen im Bürgergeld, die erwerbsfähig sind, aber nicht arbeiten - unter ihnen, nicht nur, aber auch, viele Flüchtlinge aus der Ukraine. Jeder zweite Bürgergeld-Bezieher hat inzwischen keinen deutschen Pass mehr.

    Die Job-Center vermitteln nicht entschlossen genug

    Das Prinzip des Förderns und Forderns, das Herzstück von Hartz IV, hat die Ampel ins Gegenteil verkehrt: Heute wird viel gefördert und wenig gefordert. Zwar haben sich SPD, Grüne und Liberale auf schärfere Sanktionen bei Schwarzarbeit und eine Reihe weiterer Korrekturen verständigt - zwei Konstruktionsfehler aber bleiben. Zum einen haben viele Beschäftigte das Gefühl, dass sich das Arbeiten nicht mehr lohnt, wenn eine vierköpfige Familie mit dem Bürgergeld auf ein ähnliches Einkommen wie ein Paketbote oder eine Friseurin kommt. Zum anderen sitzen zu viele Betroffene in Aus- und Weiterbildungskursen, deren Erfolg ungewiss ist, während gleichzeitig für viele einfache Arbeiten in der Gastronomie, in der Pflege oder auf dem Bau Personal fehlt. Hier müssten die Job-Center deutlich schneller und fordernder vermitteln.

    Die Realität allerdings sieht anders aus. Dass die Bundesagentur für Arbeit auf ihrer Internet-Seite mit dem bizarren Slogan „Informieren Sie sich, wie Sie Ihren Lebensunterhalt mit Bürgergeld sichern“ wirbt, spricht Bände. Damit unterstellt die Behörde, wenn auch ungewollt, dass das Bürgergeld eine Art Ersatzeinkommen ist, das so selbstverständlich fließt wie ein Lohn oder ein Gehalt – und noch dazu kräftiger steigt. Heute erhält ein Alleinstehender im Bürgergelde gut 25 Prozent mehr, als er 2022 noch in Hartz IV bekommen hat. Mit der hohen Inflation alleine lässt sich das nicht mehr erklären.

    Hartz IV war deutlich besser als sein Ruf

    Im Bemühen, sich endlich der verhassten Hartz-Gesetze zu entledigen, hat die SPD den berühmten Teufel mit dem Beelzebub ausgetrieben. Der Ärger über das Bürgergeld sitzt vor allem bei denen tief, die die Sozialdemokratie einst als ihre wichtigste Klientel betrachtet hat - die Arbeiter und kleinen Angestellten, die jeden Tag zur Arbeit gehen, die ebenfalls mit spitzem Stift rechnen müssen, deren Miete aber nicht der Staat übernimmt. Ihre Solidarität sollten der Kanzler und seine Partei nicht überstrapazieren. Die Hartz-Gesetze waren deutlich besser als ihr Ruf, weil sie Arbeitslosigkeit nicht einfach akzeptierten, sondern aktiv dagegen angearbeitet haben. Beim Bürgergeld ist bisher das Gegenteil der Fall.

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    1 Kommentar
    Thomas Keller

    Dann halt Essensgutscheine, Zelte auf Kirchenparkplätzen und leben im Auto? So läuft es in den Staaten. Sofern man nicht erschossen wird lebt man in einem sehr freiem Land mit pervers reichen Konzernen die steuerlich hofiert werden. Ein Jeder braucht Unterkunft, Kleidung und Nahrung. Hat auch früher mal Einkommens-, Lohn und Mehrwertsteuer bezahlt und mit ihm wurde auch gut verdient... Wie wenig soll den Bürgergeld sein? Bis die Schuhe durchgelaufen sind?

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