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Kommentar: Der Streit um das Betreuungsgeld

Kommentar

Der Streit um das Betreuungsgeld

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    Walter Roller
    Walter Roller

    Der Streit um die Einführung des sogenannten Betreuungsgeldes würde nicht so heftig geführt, wenn es dabei „nur“ um eine zusätzliche staatliche Leistung und jährliche Ausgaben in Höhe von rund zwei Milliarden Euro ginge. Die Schärfe der Auseinandersetzung rührt daher, dass es im Kern um eine gesellschaftspolitische Grundsatzentscheidung und die Definition dessen geht, was eine moderne Familienpolitik heutzutage leisten muss. Zum ideologisch eingefärbten Glaubenskampf um die Frage, wo kleine Kinder bis zu drei Jahren am besten aufgehoben sind – daheim oder in der Krippe –, gesellt sich der Richtungsstreit darüber, wie es der Staat mit der Förderung unterschiedlicher Lebens- und Familienmodelle halten soll.

    Die Gegner des Betreuungsgeldes in Höhe von 100 bzw. 150 Euro monatlich, das von 2013 an für die zu Hause erbrachte Erziehungsleistung gezahlt werden soll, sehen darin sowohl einen Rückfall in ein angeblich überholtes, traditionelles Familienbild als auch pure Geldverschwendung. Die Befürworter des Betreuungsgeldes, an deren Spitze die CSU und – mit einigen Abstrichen – die CDU marschieren, pochen auf die „Wahlfreiheit“ der Eltern, ihre Kinder entweder in staatliche Obhut zu geben oder daheim zu betreuen. Dahinter steckt nicht nur der Versuch, konservativen Stammwählern entgegenzukommen, sondern auch die Überzeugung, wonach die Familie die wichtigste Erziehungsinstanz sei und der Staat in Gestalt der Kindertagesstätten (Kitas) keineswegs der bessere Kinderförderer sei.

    Das Betreuungsgeld als kleiner Ausgleich dafür, dass der Staat mit dem einkommensabhängigen Elterngeld berufstätige Eltern unterstützt: Das war und ist der Zweck der 2009 im schwarz-gelben Koalitionsvertrag festgeschriebenen, von Anfang an als „Herdprämie“ geschmähten Zuwendung. Nun, da es im Parlament zum Schwur kommt und die Zweifel am Sinn dieser teuren sozialpolitischen Wohltat längst bis tief in die Koalition hineinreichen, entbrennt der alte Streit in neuer, bis dato ungewohnter Schärfe. Die Gegner des Betreuungsgeldes haben eine Reihe starker Argumente parat, die überdies nahtlos zu einer Politik passen, die im Bunde mit dem Zeitgeist (und den Interessen der Wirtschaft) seit Langem auf die bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie angelegt ist und Müttern den raschen Wiedereinstieg in den Beruf ermöglichen will. Wäre es nicht besser, das viele Geld in den stockenden Ausbau der Kitas zu stecken? Setzt die Barleistung für viele nicht den falschen Anreiz, kein Arbeitsverhältnis aufzunehmen? Und überhaupt: Warum soll der Staat eine Kompensation dafür leisten, dass Elterngeld nicht in Anspruch genommen wird? So einleuchtend diese Einwände sind: Die Entscheidung darüber, wo und wie die Kinder betreut werden, sollte jeder Familie und Mutter überlassen bleiben. Der Staat hat da nichts vorzuschreiben, zumal alle einschlägigen Studien belegen, wie wichtig die familiäre Geborgenheit gerade in der frühen Lebensphase ist.

    Wer sich also entschließt, sein Kind überwiegend selbst zu betreuen und erst später wieder in den Beruf einzusteigen, ist kein „Heimchen am Herd“. Die Familienpolitik kann den materiellen Nachteil, der damit einhergeht, nicht wettmachen. Aber warum sollte die wertvolle Erziehungsarbeit, die – übrigens von einer Mehrheit – zu Hause geleistet wird, nicht eine Anerkennung erfahren? Das Betreuungsgeld erfüllt diesen Zweck – jedenfalls so lange, wie die besseren Instrumente des Steuerrechts und einer längeren Anrechnung von Erziehungszeiten auf die Rente nicht genutzt werden.

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