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Kommentar: Der lahme Wahlkampf braucht mehr Mut zum Streit

Kommentar

Der lahme Wahlkampf braucht mehr Mut zum Streit

Stefan Lange
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    Am 26. September ist Bundestagswahl, das steht fest. Viele Wahlberechtigte wissen aber nicht, wen sie wählen sollen. Die Parteien und ihr Spitzenpersonal rufen derzeit keine Begeisterung hervor.
    Am 26. September ist Bundestagswahl, das steht fest. Viele Wahlberechtigte wissen aber nicht, wen sie wählen sollen. Die Parteien und ihr Spitzenpersonal rufen derzeit keine Begeisterung hervor. Foto: Marcus Merk

    Es gab in Berlin nicht wenige Beobachter, die angesichts des mauen Wahlkampfauftakts von Unions-Spitzenkandidat Armin Laschet orakelten, jetzt könne dem CDU-Politiker nur noch ein Hochwasser oder ein Reaktorunglück helfen. Auch wenn es angesichts der Toten und des materiellen Schadens zynisch klingt und irgendwie auch ist: Das Beispiel der SPD-Politiker Helmut Schmidt und Gerhard Schröder hat gezeigt, dass Kandidaten durchaus durch

    Bundestagswahl 2021: Die Grünen können mit den Klima nicht punkten

    Da wäre der Kampf gegen die Erderwärmung, der ein Umfrageturbo für die Grünen als klassische Klimapartei sein müsste, es aber nicht ist. Spitzenkandidatin Annalena Baerbock hat daran mit ihren Patzern einigen Anteil. Andererseits liegen sie vor der SPD, die von einem derzeit noch pannenfreien Olaf Scholz ins Rennen geführt wird. Der wirbt mit den Zukunftsthemen Arbeit und Rente, konnte zwar leicht zulegen, sich bisher aber nicht absetzen. Den neuesten Umfragen zufolge ziehen Baerbock, Laschet und Scholz nicht einmal 50 Prozent der Zustimmung auf sich. Die meisten Wahlberechtigten sind also für keinen von den Dreien. Das ist nicht nur mager, das ist blamabel.

    Früher war der Wahlkampf vor Bundestagswahlen unterhaltsamer

    Was Spitzenpersonal und Themen gemeinsam haben: Sie sind von den Parteien so gleichförmig besetzt, dass die Wählerinnen und Wähler kaum einen Unterschied bemerken. Mit anderen Worten: Es fehlt der Streit.

    Die Altkanzler Schmidt, Schröder, Kohl – was haben die sich herrlich unterhaltsam gefetzt mit dem politischen Gegner. Unterstützt wurden sie von wortgewandten Sekundanten wie Herbert Wehner (SPD), Heiner Geißler oder Wolfgang Schäuble (beide CDU), die für Stimmung im Wahlkampf sorgten. Selbst die sonst eher sachliche Kanzlerin Angela Merkel (CDU) war für pointenreiche Repliken gut, wenn es erforderlich war.

    Das waren noch Zeiten: Willy Brandt stand für das Aufstiegsversprechen der SPD.
    Das waren noch Zeiten: Willy Brandt stand für das Aufstiegsversprechen der SPD.

    Dieser Wahlkampf hingegen ist gähnend langweilig. Selbst die Corona-Pandemie sorgt nicht für Abgrenzung. Laschet muss mit Helfern wie dem CSU-Vorsitzenden Markus Söder auskommen, der nur ihm Knüppel zwischen die Beine wirft. Der erfahrenen CDU-Politiker Friedrich Merz immerhin ging in die Offensive, er griff per Twitter die Grünen an.

    Radau ist kein Ersatz für Inhalte. Der politische Streit aber hilft, Unterschiede deutlich zu machen. Er schärft die Profile. Man erinnere sich beispielsweise an die Wahlkampf vor vier Jahren, als es darum ging, wie man die Menschen im Osten mitnimmt und sich von der AfD abgrenzt.

    Warum ist der Wahlkampf zur Bundestagswahl so lahm? Parteien haben Angst vor dem Netz

    Streit erfordert Mut, und den hat noch keine der wahlkämpfenden Parteien wirklich bewiesen. Es dominiert die Vorsicht, gar die Angst davor, ein falsches Wort zu sagen und im Internet vorgeführt zu werden. Die Zurückhaltung ist teilweise verständlich, es hilft aber nichts, sich zu verstecken. Denn die Entwicklung der letzten Jahre zeigt, wohin das führt: 1972 beispielsweise lag die Wahlbeteiligung bei 91 Prozent, vier Jahre später nur knapp darunter. Seitdem ist sie bis auf einige Ausnahmen kontinuierlich zurückgegangen, zuletzt gab rund ein Viertel der Wahlberechtigten keine Stimme mehr ab.

    Zeit ist keine mehr. Die Bundestagswahl ist zwar erst in knapp sieben Wochen. Doch in wenigen Tagen beginnt die Briefwahl und es wird eine Rekordbeteiligung erwartet. Wer also die Stimmen der Wahlberechtigten gewinnen will, muss jetzt sofort damit anfangen.

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