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Erst Fußball – dann lange nichts

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Erst Fußball – dann lange nichts

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    Erst Fußball – dann lange nichts
    Erst Fußball – dann lange nichts

    In die Klischeeliste vom Deutschen gehört, dass er am Samstag sein Auto wäscht, seinen politischen Sachverstand am Biertisch abgibt und ständig übers Fernsehprogramm motzt. Letzteres lässt folgenden Schluss zu: Er liebt das Medium mehr noch, als er es hasst. Die Glotze löst Emotionen aus, über die man sich in Italien oder in den USA wundert, weil Fernsehen dort selbstverständlich ist und meist nebenher konsumiert wird.

    In Deutschland sind es vor allem attraktive Sportarten, deren TV-Übertragung die Gemüter bewegt. Wobei an König Fußball keine Kamera vorbeiführt. Dass RTL den Rechtepoker um die Qualifikationsspiele zur EM 2016 und die der WM 2018 gewonnen hat, mögen manche für ein Drama halten. Der Sender, der sonderbare Zeitgenossen in den Dschungel schickt. Der uns bei Top-Spielen mit Werbung zukleistern wird. Wenn sie wenigstens noch Béla Réthy mitkaufen würden, aber dem fehlt ja die für

    Man muss kein Prophet sein: Wer kein Geld für Sky ausgeben will, wird die Spiele auf RTL überleben. Auch da sitzen Profis, die ihr Handwerk verstehen. Wie bei der Uefa, die das Spiel mit den Gesetzmäßigkeiten des Wettbewerbs geschickt beherrscht.

    Es gibt noch eine deutsche Eigenheit – die Gratismentalität. Schon die Rundfunkgebühr war vielen verhasst; die Haushaltsabgabe ist noch übler beleumundet, da es egal ist, ob man ein Empfangsgerät hat oder nicht. Sind da nicht die vom Bürger gut gefütterten Anstalten ARD und ZDF in der Pflicht, uns jedweden Spitzensport werbefrei zu liefern? Sind sie nicht, auch sie haben eine Schmerzgrenze. Behaupten sie jedenfalls.

    Bei manchem Zuschauer ist diese aber überschritten, wenn in der kalten Jahreszeit ganze Wochenenden für den Wintersport freigeschaufelt werden. Und reichlich Altstars als Experten sich ein Zubrot verdienen, mit Feststellungen, für die früher ein Harry Valérien genügt hat. Aber das alles ist viel preiswerter als Fußball.

    Galt nicht Tennis nach den Boom-Jahren von Boris und Steffi als Quotenkiller? Es gab ernsthaft Überlegungen, die Bälle langsamer zu machen, den zweiten Aufschlag zu kippen und im Damenfeld nur Spielerinnen zuzulassen wie Maria Scharapowa oder solche, die aussehen wie die Scharapowa.

    Wie immer entscheidet der deutsche Erfolg über das öffentlich-rechtliche TV-Engagement. Pech für das Erste, dass es Sabine Lisicki unterschätzt hat. Die zum Glück nicht so aussieht wie eine Laufstegschönheit. Ihr Wimbledon-Finale war leider nur auf Sky zu sehen.

    Mit TV im eigentlichen Sinn hat Sport wenig zu tun. Trotz gigantischer Einschaltquoten bei Fußball-Weltmeisterschaften, von denen die „Wetten, dass..?“- Macher schon vor Markus Lanz nur träumen konnten, sind Live-Übertragungen kein originäres Fernsehen wie Nachrichtensendungen, Magazine, Shows und Fernsehspiele.

    Wenn das Medium in seiner erfolgreichsten Ausprägung sich als kommentierte Abspielfläche für Sport präsentiert, verschenkt es seine Möglichkeiten. Es erlahmt, wird mutlos, begnügt sich mit Dauerbackware, erfindet sich nicht neu. Man denke nur an niemals enden wollende Seifenopern, volkstümelnde Musikanten oder einfallslose Ratespiele.

    Günther Jauchs Millionärs-Quiz funktioniert noch. Aber trotzdem rückt RTL dem ZDF-Altersdurchschnitt bedenklich nahe. Mit Jauch, 57, und Thomas Gottschalk, 63, hat man die Zielgruppe 14 bis 49 Jahre um einiges überschritten. Da kommen die Qualifikationsspiele, die Generationen vor dem Fernseher einen, gerade recht.

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