Seit Jahren gibt es sie, die Alarmstimmung in der Buchbranche. Denn immer weniger Menschen greifen noch zum Buch. Verschiedene Gründe wurden dafür ausgemacht: die Digitalisierung, die Zeitnot, die Serienkonkurrenz, zuletzt auch das zurückgehende Konsumverhalten aufgrund der Inflation.
Der Fall Suhrkamp: Das Buch ist ein Investitionsobjekt
Dazu scheint jene Nachricht zu passen, die die Branche und so manchen Lesenden aufschreckte, nämlich dass ausgerechnet Suhrkamp, jener Traditionsverlag mit Autoren wie Max Frisch und Bert Brecht, „in Not“ geraten sei. Der Unternehmer Dirk Möhrle, bisher schon mit einem beträchtlichen Anteil am Verlag beteiligt, übernahm nun auch das Aktienpaket der anderen Anteilseigner und ist damit alleiniger Eigentümer. Ein Bruch mit der Tradition - so kann man es sehen und darüber Tränen vergießen. Man könnte der Sache aber auch diesen Aspekt abgewinnen: So schlecht kann es um das Buch nicht stehen, wenn es offenbar ein Investitionsobjekt ist. Denn als solches, so tat Möhrle in Interviews kund, sieht er sein neues Engagement Suhrkamp. Und ist bereit, auch erst einmal Geld in sein neues Investment zu stecken.
In der Tat steht der Buchmarkt an sich nicht schlecht da. Und in der nächsten Woche, wenn wieder die Buchmesse in Frankfurt stattfindet und sich Buchliebhaber durch die Gänge der Hallen drängen und in Trauben um bunte Stände mit prominenten Autoren scharen oder ihnen lauschen, wenn sie auf blauen Sofas sitzen und diskutieren, wird man diesen Eindruck verstärkt wieder haben.
Von stabilen Verkaufszahlen auf dem Buchmarkt profitieren nur die Großverlage
Zwar lesen die Menschen insgesamt weniger, deshalb sind die Verkaufszahlen geringer geworden, trotzdem blieb der Umsatz - sogar mit einem leichten Plus - stabil, weil Bücher teurer geworden sind. Alles gut also? Mitnichten, denn davon profitiert nicht jeder der rund 3000 Verlage, die es in Deutschland gibt, sondern vor allem jene 33, die zu den Großverlagen gehören und in Umsatzklassen von 25 Mio. Euro und mehr liegen. 67,9 Prozent der Einnahmen, die im Jahr 2023 erwirtschaftet wurden, entfallen auf sie, vermeldet der Börsenverein des Deutschen Buchhandels.
Und damit ist klar, bei wem Alarmstimmung wirklich angebracht ist: Bei den vielen kleinen und sehr kleinen Verlagen, die aber die große Mehrheit der deutschen Verlagslandschaft ausmachen - und auch deren Vielfalt. Sie sind meist inhabergeführt und entdecken und betreuen Autoren mit wenigen und oft freiberuflichen Mitarbeitern; sie initiieren Übersetzungen und zelebrieren das Buch als besonders schön gestaltetes Liebhaberobjekt. Geraten sie in Not, hilft oft nur Crowdfunding, um ihre Existenz zu sichern, wie jüngst bei Reprodukt und der Edition Nautilus. Titel der so beliebten und umsatzstarken Gruppe der New-Romance-Romane finden sich in ihren Verlagsprogrammen nicht, dafür aber manch schräges, nicht dem Mainstream folgende Buch.
Kleine Verlage kämpfen auf der Frankfurter Buchmesse um Sichtbarkeit
Ihr Problem ist, dass sie dem Druck gestiegener Papier- und Energiekosten, der allgemein auf der Branche liegt, weniger standhalten können als Großverlage, und dass sie auch im Rennen um Sichtbarkeit oft den Kürzeren ziehen. Rezensionen von Büchern in Fernsehen, Hörfunk und Presse werden immer weniger. Um bei Onlinehändlern und Buchhandelsketten aus dem Groß der über 60.000 Ersterscheinungen herauszustechen, muss erst einmal Geld in die Hand genommen werden.
Viele Kleinverlage stehen aktuell auf der Kippe, meldet der Börsenverein. Die strukturelle Förderung, die er immer wieder einfordert, wäre ein Mittel, hier einen existenzsichernden Ausgleich zu schaffen. Bisher gibt es nur punktuelle Förderung wie den Deutschen Verlagspreis und den Kurt-Wolff-Preis oder Gelder für den Deutschen Literaturfonds und den Übersetzerfonds, mit denen Projekte und Studienaufenthalte unterstützt werden können. Die aber wurden im aktuellen Entwurf für den Bundeskulturhaushalt gekürzt. Ein fatales Signal für all die kleinen Verlage, die sich auch in der nächsten Woche mit ihren Bücherkisten gen Frankfurt auf den Weg machen und im Trubel der großen bunten Stände um ein wenig Sichtbarkeit kämpfen werden.
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