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Was Medien (nicht) dürfen

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Was Medien (nicht) dürfen

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    Was Medien (nicht) dürfen
    Was Medien (nicht) dürfen

    Wo beginnt in einem Gerichtssaal das Recht auf die eigene Privatsphäre – und wo endet das Recht der Medien auf eine freie Berichterstattung? Mit dieser heiklen Frage beschäftigt sich ab heute Deutschlands höchstes Gericht, der Bundesgerichtshof. Die Richter prüfen, ob die Grenze überschritten wurde, als Medien über den Vergewaltigungsprozess gegen Wettermoderator Jörg Kachelmann berichteten.

    Das Urteil des BGH könnte weitreichende Folgen für die Justizberichterstattung in Deutschland haben. Denn die Richter entscheiden in einem Spannungsfeld, das seit dem Siegeszug des Internets und damit des Online-Journalismus zunehmend Konfliktpotenzial birgt. Auf der einen Seite stehen dabei die Prominenten, Künstler, Politiker, Schauspieler. Auf der anderen Seite wir Medien. Prominente leben davon, dass über sie berichtet wird. Sie vermarkten sich und ihre Arbeit und nicht selten sind Journalisten bei ihnen gern gesehene Gäste, wenn dabei eine öffentlichkeitswirksame Homestory herauskommt.

    Netzjournalisten leben von ihrer Reichweite

    Die andere Seite der Medaille formulierte Springer-Chef Mathias Döpfner 2006 in einem Satz, der längst zum geflügelten Wort geworden ist. „Für die Bild-Zeitung gilt das Prinzip: Wer mit ihr im Aufzug nach oben fährt, der fährt auch mit ihr im Aufzug nach unten.“ Sprich: Medien – allen voran Deutschlands größte Boulevardzeitung – machen Menschen zu Stars. Sie können aber auch Menschen und ihren Ruf vernichten. Der hektische Online-Journalismus hat diese Gefahr noch vergrößert. Netzjournalisten leben von ihrer Reichweite – und sie können messen, wie oft welcher ihrer Artikel gelesen wird. Bekannte Namen, gar in Verbindung mit dem Privaten, dem Anrüchigen, sind ein Garant für gute Lesequoten. Auch wenn das kaum jemand hören will. Genau in diesen verhängnisvollen Sog geriet Jörg Kachelmann, als er vor drei Jahren unter dem Verdacht, eine Freundin vergewaltigt zu haben, verhaftet und später aus Mangel an Beweisen freigesprochen wurde. Dazwischen lagen 14 Monate, in denen das Privatleben des Wettermoderators in allen Details seziert wurde – im Gerichtssaal und in ungezählten Artikeln.

    Was wiegt nun schwerer? Der Schutz des Persönlichkeitsrechts oder das Interesse der Medien an der Berichterstattung über die – auch intimen – Details eines solchen Falls? Ersteres, entschieden bisher zwei Instanzen.

    Behindert wird die Berichterstattung über Prominente längst

    Doch jetzt hat der BGH das Wort. Er könnte in seinem Urteil die Rechte der Medien bei der Berichterstattung über Strafverfahren einschränken. Doch auch das Gegenteil wäre denkbar. Denn eingeschränkt und behindert wird die Berichterstattung über Prominente in Deutschland längst. Spezialisierte Medienanwälte sind es, die in schöner Regelmäßigkeit Schreiben an Verlage schicken und darin mit teuren Prozessen drohen, wenn über ihre prominenten Mandanten in dieser oder jener Sache berichtet wird. Nicht wenige Redaktionen lassen sich davon einschüchtern, verzichten auf eine kritische Berichterstattung. Andere wehren sich – und werden von den Kanzleien gezielt vor Gerichte gezerrt, die für ihre medienkritische Rechtsprechung bekannt sind. Der von der Politik geduldete „fliegende Gerichtsstand“ – gegen Veröffentlichungen im Internet kann man praktisch vor jedem Gericht klagen – macht es möglich.

    Prominente, die durch Anwälte die Berichterstattung behindern, stehen Medien gegenüber, die auf der Jagd nach Auflage und Reichweite die Privatsphäre von Menschen – bisweilen bewusst – verletzten. Hoffentlich bringen Deutschlands höchste Richter in dieser Gemengelage Klarheit.

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