Lange ist es Heinz-Christian Strache gelungen, die Fassade des aufrechten Bürgers, den die tiefe Sorge um seine Heimat Österreich umtreibt, aufrechtzuerhalten. All die Skandale seiner Parteifreunde konnten dem Chef der rechtspopulistischen FPÖ wenig anhaben. Doch das heimlich auf Ibiza aufgenommene Video, in dem Strache darüber diskutiert, wie man mit viel Geld Wahlen beeinflussen und dubiosen Spendern aus dem Ausland lukrative Staatsaufträge zuschustern kann, hat sein Saubermann-Image pulverisiert.
Strache war bereit, sein Land für den eigenen Vorteil zu verschachern
Natürlich ist es zwielichtig, dass dem Politiker eine Falle gestellt wurde. Doch wer sich darüber aufregt, verwechselt Opfer und Täter. Fakt ist: Der Ober-Patriot Strache war bereit, für den eigenen Vorteil sein Land zu verschachern. Dass er auch noch darüber schwadronierte, wie man sich eine Zeitung kaufen und damit Parteifreunde pushen und Gegner abservieren kann, zeigt, wessen Geistes Kind er ist. Ausgerechnet die FPÖ, die so gerne von gesteuerten Medien fantasiert, die kritische Journalisten aus dem Verkehr ziehen will, ausgerechnet jene Partei versucht, Stimmen mit manipuliertem Journalismus zu kaufen. Das zeigt die ganze Demokratieverachtung der Rechtspopulisten.
Dass Strache sein Handeln nun als „b’soffene G’schichte“ und „typisch alkoholbedingtes Macho-Gehabe“ abtut, belegt sein fehlendes Unrechtsbewusstsein. In bewährter Manier von Populisten lenkt er vom eigenen Fehlverhalten ab, indem er Verschwörungstheorien spinnt und seinen Gegnern ein „gezieltes politisches Attentat“ unterstellt – gesteuert von finsteren Mächten. Natürlich müssen die Motive aufgeklärt werden. Nur das ändert nichts daran, dass Strache getan hat, was er getan hat.
Selbst Bundeskanzler Sebastian Kurz konnte nicht mehr die Augen davor verschließen, mit wem er sich da eingelassen hat. Der junge Regierungschef wollte nach all den betäubenden Jahren Großer Koalitionen einen Neuanfang um jeden Preis. Und tatsächlich wurde ja der Stillstand in Wien überwunden. Doch der Kanzler hatte mit ständig neuen Brandherden in seiner Koalition zu kämpfen. Ihm selbst scheint das Spiel mit dem Feuer nicht geschadet zu haben. Seine Popularität unter den Österreichern ist ungebrochen. Dass er der FPÖ jetzt den Stuhl vor die Türe stellt, kann er vielleicht sogar als Führungsstärke verkaufen.
Österreich: Kanzler Kurz musste die Koalition mit der FPÖ beenden
Die Rechtspopulisten standen von Anfang an unter Bewährung – und Kurz spielte den Bewährungshelfer. Nachdem sie ein ums andere Mal gegen die Bewährungsauflagen verstoßen haben, musste er die Sache beenden und einsehen: Sein Versuch, diese Leute zu bändigen, ist grandios gescheitert. Angebliche FPÖ-Biedermänner wie Strache oder Innenminister Herbert Kickl haben ihre Macht missbraucht, um die Grenzen dessen, was gesagt werden kann, was getan werden kann, immer weiter nach rechts zu verschieben. Erst als Kurz spürte, dass er mit dieser Koalition nicht nur Österreich und der Demokratie schadet, sondern auch sich selbst, zog die Ich-AG im Kanzleramt Konsequenzen. Neuwahlen bergen auch für den Kanzler Risiken, doch sie dürften sich in Grenzen halten. Ja, die Große Koalition hat in Österreich einen noch schlechteren Ruf als in Deutschland. Doch die anderen demokratischen Kräfte werden sich nach Neuwahlen ihrer staatspolitischen Verantwortung kaum entziehen können – und ein Bündnis mit der ÖVP eingehen.
Anders, als Kritiker nun prophezeien, markiert „IbizaGate“ nicht den Kurz-Schluss, nicht den Anfang vom Ende dieser steilen Karriere. Der 32-Jährige kann noch lange Kanzler bleiben, nur eben nicht mit den rechten Demokratieverächtern als Mehrheitsbeschaffer.
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