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Machtlos gegen die Gewalt

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Machtlos gegen die Gewalt

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    Winfried Züfle
    Winfried Züfle Foto: Wagner

    Nach kaum mehr als zwei Jahren ist die Zahl der Todesopfer im Syrien-Konflikt auf 80000 gestiegen. Aus einem Land, das zwar von der Familie Assad diktatorisch regiert wurde, in dem aber die verschiedenen Ethnien und Religionen weitgehend friedlich nebeneinander lebten, ist eine Bürgerkriegshölle geworden.

    Der anfänglich politische Konflikt um mehr Freiheit ist inzwischen religiös und ethnisch so aufgeladen, dass die Gefechtslage unüberschaubar wurde. Längst kämpft nicht mehr alleine das Assad-Regime gegen eine Vielzahl von Rebellengruppen. Inzwischen liefern sich diese Gruppen, zu denen militante Islamisten und Terroristen zählen, auch unterein-ander Gefechte. Keine religiöse Gemeinschaft und keine Volksgruppe kann sich sicher fühlen.

    Selbst die Nachbarn leben gefährlich. So hatten die Bombenleger im türkischen Grenzort Reyhanli offenbar Kontakte zum Regime in Damaskus. Der türkische Premierminister Recep Tayyip Erdogan wird daher am Donnerstag bei seinem Besuch in Washington US-Präsident Barack Obama zu einem raschen und energischen Vorgehen gegen Assad drängen.

    Doch der Westen wird in Syrien nicht mit Bodentruppen eingreifen – und er tut gut daran. „Ein militärisches Eingreifen wäre sehr, sehr aufwendig und verlustreich“, sagt Bundesverteidigungsminister Thomas de Maizière in realistischer Einschätzung der Lage. Obama sieht bisher „kein Szenario, in dem amerikanische Stiefel auf syrischem Boden nicht nur gut für Amerika, sondern auch gut für

    Allen Kundigen muss klar sein: Bodentruppen können den Konflikt nicht lösen. Im Bürgerkriegsland Syrien gibt es keine klar abgegrenzten Siedlungsgebiete der religiösen und ethnischen Gruppen – und entsprechend auch keine räumlich großen „befreiten Gebiete“, in denen die Bevölkerung geschützt werden könnte. Stattdessen würden ausländische Truppen zwischen alle Fronten geraten und hauptsächlich damit beschäftigt sein, sich selbst zu schützen.

    Nicht einmal die etwas leichtfertig von Obama gezogene „rote Linie“ – er drohte Assad massive Konsequenzen für den Fall des Einsatzes chemischer Waffen an – kann den US-Präsidenten bisher zum Handeln verleiten. Vieles spricht zwar dafür, dass Truppen des Regimes C-Waffen eingesetzt haben. Aber es bestehen Restzweifel. Obama will offenbar die Fehler der Bush-Regierung im Irak-Konflikt 2003 nicht wiederholen. Damals sagte US-Außenminister Colin Powell im UN-Sicherheitsrat, es gebe unumstößliche Belege für die Existenz von Massenvernichtungswaffen im Irak. In Wahrheit existierten weder die Beweise noch die Waffen. Dennoch befahl Bush den Einmarsch – und dies sogar ohne UN-Mandat.

    Um Aktivitäten vorweisen zu können, werden einige westliche Regierungen in naher Zukunft wohl Waffen an Aufständische liefern, wie dies die sunnitisch-islamischen Mächte Saudi-Arabien und Katar seit langem tun. Allerdings besteht die große Gefahr, dass damit auch jene Islamisten aufgerüstet werden, vor denen sich die syrischen Christen zu Recht fürchten.

    Generell gilt, wie UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon formuliert: „Mehr Waffen bedeuten mehr Tod und Zerstörung.“ Bundesaußenminister Guido Westerwelle handelt daher richtig, wenn er gegen Waffenlieferungen plädiert.

    Dennoch: Nichtstun und den Konflikt ausbluten lassen sind keine Lösung. Die diplomatischen Anstrengungen müssen intensiviert werden. Die nächste Chance dazu bietet die von den USA und Russland vereinbarte internationale Syrien-Konferenz.

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