Startseite
Icon Pfeil nach unten
Meinung
Icon Pfeil nach unten

Leitartikel: Unruhiges Kirchenvolk

Leitartikel

Unruhiges Kirchenvolk

    • |
    Unruhiges Kirchenvolk
    Unruhiges Kirchenvolk

    Einen neuen Aufbruch wagen – das Motto des 98. Deutschen Katholikentags in Mannheim klang fast wie das ängstliche Pfeifen im dunklen Walde. Keine Frage: Die katholische Kirche steckt tief in der Krise. Vertrauen in Priester und Bischöfe ging verloren, auch das eine odere andere Mitglied. Zudem mangelt es dem gegenwärtigen Katholizismus zunehmend an gesellschaftlicher Gestaltungskraft und geistlichen Ressourcen. An diesem ehrlichen Eingeständnis kam in

    Dialog heißt das Zauberwort, das auf dem Katholikentag allenthalben bemüht wurde. Bischöfe zeigten sich dadurch erleichtert, dass sie ihre Sorgen mit dem Kirchenvolk teilen können. So mancher Oberhirte erhoffte sich wohl auch eine Rückenstärkung für fällige Reformschritte. Denn auch innerhalb der Bischofskonferenz gibt es Fraktionen, und leicht läuft man Gefahr, sogar als Bischof für ungehorsam gehalten zu werden. Durch den Katholikentag verlief kein Riss, obwohl seine Teilnehmer beileibe nicht stets einer Meinung waren. Gegenseitig gestanden sie sich guten Willen zu. Selbst aufbegehrende „linke“ Katholiken durften im offiziellen Programm sprechen.

    Sich selbst schließen nur die Erzkonservativen aus. Sie pflegen ihr „Forum deutscher Katholiken“. Am Dialog mit dem breiten Querschnitt des deutschen Katholizismus liegt ihnen offensichtlich nichts. Zu kompromissbehaftet ist er ihnen. „Sie sehen eine sterbende Kirche“, richtete Matthias Matussek als einer ihrer Wortführer den Besuchern des Katholikentags aus.

    Diesen Eindruck erweckte das „große Glaubensfest“ (Erzbischof Robert Zollitsch) nun überhaupt nicht. Im Gegenteil: Die Kirche lebt, sie feierte miteinander, betete miteinander, interessierte sich füreinander. Die Stände der verschiedensten Verbände, Initiativen, Gruppen und Gemeinden auf der Kirchenmeile waren dicht belagert. Im geistlichen Zentrum mussten sie Priester von der Straße holen, um der Nachfrage nach Beichte gerecht zu werden.

    In Mannheim zeigte sich gleichwohl eine Unruhe, ein Drängen der deutschen Katholiken. Ihre Kirche betrachten sie zwischen Hoffen und Bangen. Sie haben sie nicht abgeschrieben, aber sie erwarten, dass sich etwas ändert. Konfessionsverbindende Paare sollten gemeinsam die Kommunion empfangen können. Wiederverheiratete Geschiedene dürften nicht auf ewig vom Leben der Kirche ausgeschlossen werden. In strittigen Fragen der Ökumene kann die Basis ohnehin das Zögern der Kirchenleitung nicht verstehen.

    Am nächsten liegt den Menschen die Kirche am Ort. Sie wollen nicht in immer größeren Einheiten aufgehen, vielmehr Kirche in ihrer Lebenswelt erleben. Ob Priester oder Laien sie repräsentieren, ist dem Kirchenvolk gleich lieb.

    Sehr deutlich artikulierte sich auf dem Katholikentag das Drängen der Frauen nach einer neuen Rolle in der Kirche. Ihre Existenz erschöpft sich nicht mehr in Mutterschaft oder Ordensleben. Sie sind gut ausgebildet, arbeiten in verantwortungsvollen Berufen, führen ein selbstbestimmtes Leben. Aber in der Kirche sollen sie sich unterordnen und immer nur in zweiter Reihe stehen?

    Ebenso fatal wäre es, würde sich die katholische Kirche in Deutschland bloß in einem bürgerlichen Milieu einrichten. Zu Recht wurde in Mannheim gefordert, niemand dürfe in ihr ausgegrenzt werden, gerade Menschen, die anders fühlen und leben. Eine Kirche, die in der Gegenwart lebt, muss den Menschen zugewandt sein. Darin besteht der drängende Ruf nach Aufbruch.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden