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Leitartikel: Schlusspfiff für ein Fußballfest

Leitartikel

Schlusspfiff für ein Fußballfest

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    Schlusspfiff für ein Fußballfest
    Schlusspfiff für ein Fußballfest

    Das Spiel ist aus, das Fest zu Ende. Das Leben kehrt in alte Bahnen zurück. Zwei Wochen lang hatten die abendlichen Gruppenspiele der Fußball-EM Europas Herzschlag bestimmt. Stärker als politische Debatten, Finanzkrisen und Gartenpflege. Wer mag, darf den Kopf darüber schütteln, dass einem Spiel eine derartige Bedeutung zufällt. Die EM-Wochen aber haben wieder einmal eindrucksvoll die emotionale, soziale und politische Grenzen überschreitende Kraft des Fußballs dokumentiert.

    24 Tage lang durfte man die Gewissheit haben, mit einem Großteil der 750 Millionen Europäer die gleiche Leidenschaft zu teilen. Als nach den Gruppenspielen die EM nur noch alle paar Abend in die Wohnzimmer kam, wussten viele erst einmal nicht, womit sie die freie Zeit füllen sollten.

    Wem entgangen war, dass die EM in Polen und der Ukraine stattfand, hätte angesichts der Hunderttausende, die überall in Deutschland Fußballpartys feierten, auf die Idee kommen können, das Turnier spiele in

    Dass die gemeinsame Bewerbung schon bald in zwei Hälften zerfallen würde, war angesichts der unterschiedlichen wirtschaftlichen Voraussetzungen abzusehen gewesen. Nur drei der 16 Teams wollten die EM in der Ukraine verbringen. In Polen dagegen, 16 Mal kleiner als die Ukraine, verdichtete sich das EM-Gefühl an jedem Ort, an dem eine Handvoll Menschen zusammenkam. Dass die EM ein buntes Fest war, lag vor allem an den Frauen. Der Trend, demzufolge der Fußball immer weiblicher wird, hat sich fortgesetzt. Er wird 2016 auch die EM in Frankreich bestimmen. Die Fußballfans dürfen sich darüber freuen, dass die Franzosen die nächste EM alleine stemmen. Das verkürzt die Reisewege und verdichtet die Stimmung. Den Einzelgastgeber aber wird es nur noch selten geben. Doppel- und Dreifachbewerbungen werden die Zukunft der Fußball-Europameisterschaften sein. Der europäische Verband Uefa hat die EM zur Mini-Weltmeisterschaft aufgeblasen. 2016 dürfen 24 Mannschaften teilnehmen. Ein Schritt, der freilich auch den neu entstandenen Staaten geschuldet ist.

    Von der politischen Auseinandersetzung, die vor dem Turnier um die Ukraine geherrscht hatte, war während der EM nicht mehr viel geblieben. Der Fußball hatte sie erstickt. Das Schicksal der inhaftierten Julia Timoschenko und anderer Oppositioneller war hinter der Diskussion um Schiedsrichterurteile verblasst. Auch das gehört zur Kraft des Fußballs, derer sich Regierungen gerne bedienen.

    Was bleibt? Aus deutscher Sicht die Erinnerung an gelungene Auftritte der DFB-Auswahl, die mit der jüngsten aller Mannschaften zur EM gekommen war. Dass sie im Halbfinale gescheitert ist, lag an den starken Italienern und Regiefehlern des Bundestrainers. Diejenigen, die Löw deshalb infrage stellen, sind dieselben, die ihm vorher gehuldigt haben. Das ist erbärmlich. Die Entwicklung der Nationalelf zu einem Festspiel-Ensemble, dessen Auftritte mitunter 28 Millionen TV-Zuschauer in ihren Bann gezogen hat, ist auch Löws Verdienst. Ihm und seinen Spielern gehört weiter die Zukunft.

    In den nächsten Tagen aber regiert die Vergangenheit, der Fußball-Blues. Psychologen sprechen vom sozialen Kater, der folgt, nachdem man etwas intensiv erlebt hat. Die Antwort des alten Psychologen Sepp Herberger würde lauten: Nach dem Spiel ist vor dem Spiel.

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