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Leitartikel: Putins letzter Sieg?

Leitartikel

Putins letzter Sieg?

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    Winfried Züfle
    Winfried Züfle Foto: Wagner

    Wahrscheinlich wird der starke Mann der vergangenen Jahre am Sonntag wieder als Präsident in den Kreml einziehen. Aber der Name Wladimir Putin steht dennoch nicht länger für die Zukunft Russlands.

    Zwei Jahrzehnte nach dem Ende der Sowjetunion geht es im größten Flächenstaat der Erde nicht mehr vorrangig um das Thema Stabilität. So lautete das Motto der beiden Amtszeiten Putins als Präsident im ersten Jahrzehnt nach der Jahrtausendwende, als es galt, die Wirren der Wendezeit zu beenden. Danach zog er sich – der Verfassung gehorchend – für vier Jahre auf den Posten des Ministerpräsidenten zurück.

    Doch die russische Gesellschaft hat sich seither Jahr für Jahr mehr emanzipiert. Ein selbstbewusster Mittelstand hat sich herausgebildet. Und eine Jugend ist herangewachsen, die jene ferne und bedrohliche Zeit des Kommunismus nur noch aus den Erzählungen der Älteren kennt.

    Diese Gruppen der Bevölkerung wollen nicht länger von einem starken Staat bevormundet werden. Am vergangenen Wochenende hat die Bewegung, die ihre Zusammengehörigkeit mit der Farbe Weiß kenntlich macht, eindrucksvoll gezeigt, dass sie längst das Stadium einer gesellschaftlichen Randgruppe verlassen hat. 35000 Menschen bildeten in Moskau eine weiträumige Kette um den Kreml. Viele junge Gesichter waren darunter.

    Die Schwäche der Opposition ist, dass sie sich bisher weder auf einen überzeugenden Gegenkandidaten zu Putin noch auf ein schlüssiges Alternativkonzept einigen konnte. Derzeit steht im Vordergrund, was man nicht will: einen Staat, der die Bürger von der Teilhabe an der Macht ausschließt, einen Staat, der lügt und betrügt, einen Staat, der Freiheitsrechte beschneidet und Justiz und Presse gängelt.

    Doch der überraschende Aufschwung der außerparlamentarischen Opposition in Russland kann nicht verdecken, dass Putin vor allem auf dem Land noch viele Unterstützer hat. Auch läuft seine Wahlkampfmaschine auf Hochtouren. Ängste werden geschürt, suggeriert wird, nur Putin könne die Stabilität garantieren. Gestern enthüllte das Staatsfernsehen angebliche Attentatspläne auf Putin, hinter denen der tschetschenische Terrorist Doku Umarow stecken soll. Ein mutmaßlicher Attentäter ist zwar bereits Anfang Januar in der Ukraine festgenommen worden. Aber erst jetzt, kurz vor dem Wahltag, wird die Meldung in der Öffentlichkeit platziert. Zufall ist das nicht.

    Am Sonntag werden die Russen wohl Putin zurück in den Kreml wählen. Dazu ist kein Wahlbetrug nötig. Aber auf eine ruhige Amtszeit kann sich der neue, alte Präsident dennoch nicht freuen. Es ist fraglich, ob der Machtmensch Putin, der bisher als Drahtzieher in einem von oben gelenkten Staatswesen fungierte, die Öffnung zu einer Demokratie nach westlichem Muster einleiten kann. Gelingt ihm dies aber nicht, wird sich die Kluft zwischen den Ansprüchen des Staates und den Bedürfnissen der Bevölkerung zunehmend vertiefen. Das bedeutet unruhige Zeiten.

    Außer dem Umbau des Staates gibt es aber noch weitere Baustellen: Russlands Wirtschaft, die neuntgrößte der Welt, basiert zu sehr auf dem Export von Erdgas und Erdöl. Laut OECD müsste das Land jedoch viel stärker „die Wachstumsmöglichkeiten ausnutzen, die es aufgrund der Bodenschätze und des hohen Ausbildungsgrads der Bevölkerung hat“. Außerdem zeigen Studien, dass sich die Kluft zwischen Arm und Reich verschärft und Ausmaße fast wie in den USA erreicht hat.

    Daraus leiten sich die Zukunftsaufgaben für Russlands Führung ab. Putin hat bisher jedoch nicht erkennen lassen, dass er sie lösen will und kann.

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