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Leitartikel: Politik an der Tankstelle

Leitartikel

Politik an der Tankstelle

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    Michael Pohl
    Michael Pohl Foto: Fred Schöllhorn

    Die Spritpreise steigen schleichend, aber stetig. Der Liter Diesel hält sich seit Wochen deutlich über der Marke von 1,50 Euro. Die Sprünge im Cent-Bereich summieren sich im Laufe der Zeit schmerzhaft: So bezahlt ein Berufspendler mit jährlich 18000 gefahrenen Kilometern mit einem Diesel bei acht Litern Verbrauch derzeit aufs Jahr gerechnet rund 500 Euro mehr an der Tankstelle als noch vor zwei Jahren.

    Gut ein Jahr vor der nächsten Bundestagswahl und wenige Wochen vor der wichtigen Nordrhein-Westfalen-Wahl entdeckt wieder die Politik das Thema. Vor allem die FDP bemüht sich, aus dem Unmut der Autofahrer Kapital zu schlagen. Die Liberalen verweisen auf die Erdölkonzerne, die mit einer neuen, computergesteuerten Preispolitik die Autofahrer an den Tankstellen bestmöglich abkassieren: Mit Preisschwankungen bis zu fünf Mal am Tag versuchen sie, den Sprit jederzeit möglichst teuer an den Kunden zu bringen. Mit Erfolg: Die Gewinne der Erdölkonzerne steigen trotz sinkenden Verbrauchs mit zweistelligen Zuwachsraten. Auf der Forbes-Liste der Unternehmen mit den höchsten Milliardengewinnen finden sich unter den ersten Fünf vier Ölkonzerne, von der Esso-Mutter Exxon bis zum Aral-Eigner BP.

    Bislang blieben alle Versuche, der Politik der neuen Preispolitik an der Tankstelle zu begegnen, wirkungslos. Für die Autofahrer wurde es unterm Strich nicht billiger. Deshalb scheint es sinnvoller, den Blick auf die Pendlerpauschale zu richten – ein Lieblingsthema wahlkämpfender Politiker. SPD-Kanzler Gerhard Schröder erhöhte sie 2001, eine Wahlniederlage vor Augen, auf 40 Cent, nachdem der Super-Preis binnen eines Jahres erst die Zwei-D-Mark-Marke durchbrach und auf über 2,20 Mark stieg. Nach der Wahl wollte Rot-Grün die Pauschale wieder auf 15 Cent zusammenstreichen, scheiterte aber an der Union im Bundesrat. Die Große Koalition wollte die Pauschale unter 20 Kilometer abschaffen, scheiterte aber am Verfassungsgericht. Seitdem liegt sie bei 30 Cent, nur unwesentlich höher als bei ihrer Einführung im Jahr 1955.

    Eine Anhebung wäre nicht nur wegen steigender Spritpreise gerecht. Auch die Bahnpreise stiegen in den vergangenen zehn Jahren um 35 Prozent. Eine Erhöhung auf 40 Cent wäre bereits mit jenen 1,8 Milliarden Euro locker finanzierbar, die der Staat allein vergangenes Jahr mehr kassierte, weil mit dem Spritpreis auch die Mehrwertsteuer-Einnahmen klettern. Die Pendlerpauschale ist deshalb eine Glaubwürdigkeitsfrage für die Koalition. Als Rot-Grün den Benzinpreis mit der Ökosteuer hochschraubte, malten Union und FDP den Untergang des Wirtschaftsstandorts an die Wand. In der Regierung streichen sie nun die Einnahmen gerne ein.

    Der Spritpreis wird weiter steigen. Schon allein deshalb, weil das knapper werdende Erdöl schon heute eigentlich zu wertvoll ist, um es zu verfeuern. Die Politik sollte deshalb weniger an finanziellen Versprechen gemessen werden als an Weichenstellungen für die Zukunft. Noch ist offen, ob das Automobil der Zukunft mit Elektro- oder Hybridantrieb fährt oder einem Motor, der aus Ökostrom umgewandeltes Gas verbrennt. An allen Techniken forschen die Autokonzerne und planen für die künftige Elektromobilität auch die Solarenergie ein. Der FDP-Wahlkämpfer Philipp Rösler muss sich deshalb fragen lassen, wie sinnvoll es war, dass er der kriselnden deutschen Solarindustrie mit seiner Förderpolitik den Todesstoß versetzt hat. Und nun als Wirtschaftsminister schulterzuckend verfolgt, wie eine weitere in Deutschland entwickelte Spitzentechnologie ins Ausland abwandert.

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