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Leitartikel: Liberale Dauerkrise

Leitartikel

Liberale Dauerkrise

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    Im Grunde ist die Situation nicht neu. Keine Partei hat mehr Erfahrung im Kampf ums politische Überleben als die FDP – Spottname „Fast drei Prozent“. In der Vergangenheit wurde ihr schon des Öfteren das baldige Ableben vorhergesagt, immer wieder hing ihr Überleben nach schweren Wahlniederlagen an einem seidenen Faden.

    Und doch ist dieses Mal alles anders. Seit bald einem Jahr liegen die Freidemokraten, die auf ihrem traditionellen Dreikönigstreffen in Stuttgart einmal mehr den Neuanfang beschwören, weit unter der Fünf-Prozent-Grenze, selbst der Wechsel an der Spitze von Guido Westerwelle zu Philipp Rösler brachte keine Wende zum Besseren. Und ausgerechnet am Dreikönigstag platzt auch noch die einzige Jamaika-Koalition im Saarland ausgerechnet wegen der Personalquerelen bei der Saar-FDP, was für neue Negativschlagzeilen sorgt. So ernst war es noch nie.

    Die FDP ist am Ende – aus personellen, strukturellen und programmatischen Gründen. Philipp Rösler, vor acht Monaten noch als Hoffnungsträger und Retter in der Not gefeiert, verkörpert die gesamte Rat- und Konzeptionslosigkeit der Liberalen. Er wirkt nicht nur überfordert, der Partei neues Leben einzuhauchen und ihr Kurs und Richtung vorzugeben, er ist es auch. Nichts verbindet sich bislang mit seinem Namen, selbst sein neuer Generalsekretär spricht ihm ab, eine Kämpfernatur zu sein.

    Das Erbe, das Rösler angetreten hat, hätte verheerender nicht sein können. Nach dem triumphalen Wahlsieg 2009 glauben sie, bruchlos da weitermachen zu können, wo sie 1998 aufgehört hatten und wieder ihre Klientel bedienen zu können. Auf die neuen, drängenden Fragen der Zeit allerdings haben die Freidemokraten keine Antwort. Der freie Markt, der alleine alles regelt und ohne Regulierung am besten funktioniert, Leitmotiv liberalen Denkens, offenbart in der globalen Finanzkrise sein Versagen, nur noch der Staat ist in der Lage, das System zu retten, nur mit Steuergeldern kann die Wirtschaft am Laufen gehalten werden. Das liberale Mantra von Steuersenkungen wirkt angesichts dieser Erfahrung und der massiven Staatsverschuldung wie ein Anachronismus. Wie überhaupt die Bundesbürger in übergroßer Mehrheit den Staat nicht als Feind betrachten, den es zu schwächen gilt, sondern als Verbündeten, der in einer unsicheren Zeit für Schutz, Ordnung und Sicherheit sorgt. Der Ruf nach mehr Eigenverantwortung verhallt ungehört.

    Nun rächt sich, dass die Liberalen programmatisch stehen geblieben sind. In den siebziger und achtziger Jahren verschliefen sie komplett die Ökologie-Bewegung, die zum Aufstieg der Grünen führte. Nun drohen sie auch den Anschluss an die Internet-Generation zu verlieren, die die Begriffe Freiheit und Transparenz mit völlig neuem Leben füllt. Und da sich auch die beiden Großen, Union und SPD, in der Mitte breitgemacht haben, schrumpft der Platz für die FDP zunehmend.

    Die FDP mag am Ende sein, nicht jedoch die große Idee des Liberalismus, die vor über 200 Jahren im Kampf des mündigen Bürgers gegen autokratische Regime und absolutistische Herrscher entstanden ist und den freiheitlich-demokratischen Rechtsstaat moderner Prägung begründete. Echte Liberale werden weiter dringend gebraucht, um für den Ausgleich zwischen Freiheit und Sicherheit, Ökonomie und Ökologie, Leistungsgerechtigkeit und sozialer Gerechtigkeit zu sorgen, die Bürgerrechte im Zeitalter des Internets zu verteidigen, auf eine strikte Haushaltsdisziplin zu achten und die ausufernde Bürokratie zu begrenzen. Dafür braucht man keine Klientelpartei, die eine Minderheit bedient, wohl aber eine wirklich liberale Partei auf der Höhe der Zeit, die diesen Namen auch verdient.

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