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Leitartikel: Kriegsgeheul aus Nordkorea

Leitartikel

Kriegsgeheul aus Nordkorea

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    Winfried Züfle
    Winfried Züfle Foto: Wagner

    Wahnsinnige haben schon viel Unheil über die Welt gebracht. Deswegen nutzt es nichts, den nordkoreanischen Diktator Kim Jong Un als Geistesgestörten abzutun. Er ist trotz und wegen seines unberechenbaren Gemütszustands eine Gefahr für den Weltfrieden.

    In der Öffentlichkeit des Westens hat sich nach der Inthronisation des damals 28-Jährigen im Dezember 2011 ein nachsichtiger Umgang mit dem rundlichen jungen Mann und Basketball-Fan breitgemacht. Man fand ihn drollig, machte ihn zur Kultfigur. Dabei hat der dritte Kim, der an der Spitze der seit den 50er Jahren in Pjöngjang herrschenden Dynastie steht, nichts, aber auch gar nichts getan, um Reformen einzuleiten oder mehr Menschlichkeit zu zeigen. Das letzte stalinistische Regime der Welt ist in Wahrheit auch unter Kim Jong Un ein gigantisches Gefängnis, in dem den Bürgern die Grundrechte vorenthalten werden und in dem gehungert wird. Nordkorea ist in jeder Hinsicht das negative Gegenbild zum westlich orientierten und wirtschaftlich erfolgreichen „Tigerstaat“ Südkorea.

    Um von den Nöten des Alltags und der Brutalität des Regimes abzulenken, betreibt die Herrscherfamilie in Pjöngjang einen beispiellosen Personenkult. Der junge Kim wird von der Propaganda zum „Obersten Führer“ stilisiert. Doch niemand weiß, ob er tatsächlich die Fäden in der Hand hält, oder ob er nur die Marionette einer im Hintergrund wirkenden Clique aus hohen Vertretern des Partei- und Militärapparats ist.

    Mit seiner jüngsten Ankündigung, das Atomkraftwerk Yongbyon wieder hochzufahren, konnte Kim Jong Un keinen wirklichen Schrecken hervorrufen. Die überalterte Anlage besitzt ein Leistungsvermögen von gerade einmal fünf Megawatt (zum Vergleich: ein Block in Gundremmingen hat 1344 Megawatt). Ein ungutes Gefühl bleibt dennoch: In

    Das Feuerwerk aus Drohgebärden, Beschimpfungen und Imponiergehabe, das Pjöngjang seit Tagen abbrennt, klingt zwar wie Kriegsgeheul. Aber vielleicht ist die Botschaft in Wahrheit an das eigene Volk gerichtet und lautet: „Schaut her, wie wir für euch kämpfen.“ Oder sie ist an die USA gerichtet und lautet: „Nehmt uns ernst und redet mit uns.“ Schon Kim Jong Il, der Vater des jetzigen Machthabers, strebte nach direkten Verhandlungen mit Washington. Doch Atomtests und Raketenstarts brachten den Kims nicht die erwünschte Augenhöhe, sondern nur Sanktionen ein.

    Könnte eine Einladung ins Weiße Haus die Lage entschärfen? Möglicherweise ja. Aber das politische Risiko ist zu hoch. Ein Kim, der dem US-Präsidenten auf der Nase herumtanzt, würde der Politik der Nichtweiterverbreitung von Atomwaffen einen womöglich nicht mehr gutzumachenden Schaden zufügen. Andere Länder, die an der Schwelle zur Nuklearbewaffnung stehen, könnten sich ermutigt fühlen.

    Die USA reagieren aktuell mit einer Mischung von Herunterspielen und Ernstnehmen. Sie schicken in geringer Anzahl Kampfjets und Schiffe nach Südkorea. Das ist keine Überreaktion – aber auch kein Beitrag zur Problemlösung.

    Gefragt ist jetzt vor allem die Diplomatie, wobei es zu einem Zusammenspiel zwischen den USA und China kommen muss. Peking sieht durch die Eskapaden in Pjöngjang seine Ambitionen auf einen Ausbau des internationalen Handels gestört.

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