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Leitartikel: Grüne suchen die Wahlkampfstars

Leitartikel

Grüne suchen die Wahlkampfstars

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    Jürgen Marks
    Jürgen Marks

    Längst vorbei ist die Zeit, in der sich Friedensbewegte und Umweltaktivisten in der Partei endlose Grundsatzdebatten über Bundeswehr-Auslandseinsätze oder Widersprüche zwischen Ökonomie und Naturschutz lieferten.

    Heute geht es bei den Grünen wie in allen etablierten Parteien um Macht und auch um das eigene Ego. Um persönliche und politische Ziele zu erreichen, wird unter dem Tisch böse getreten und gleichzeitig vor den Kameras publikumswirksam gelächelt.

    Claudia Roth hat jetzt oberhalb der Tischkante eine Debatte über die Spitzenkandidatur der Grünen für die Bundestagswahl 2013 losgetreten. Ihr Ziel ist offenkundig: Sie will einen Durchmarsch von Jürgen Trittin als Alleinkandidat verhindern. Für Roth und ihre Anhänger ist die fünfzigprozentige Frauenquote in Führungspositionen der Partei ein grünes Grundgesetz. Und im Schatten von Trittin steht sie eben auch nicht gerne.

    Der hatte sich zuletzt geschickt positioniert. Als Ex-Umweltminister bewies er auch in der Finanzpolitik Kompetenz und avancierte zur Parteinummer eins. Neben ihm verblasste Renate Künast als zweite Bundestags-Fraktionschefin. Vom schlechten Abschneiden bei der Berliner Abgeordnetenhauswahl hat sie sich nicht erholt.

    Und auch die Parteichefs Cem Özdemir und eben Claudia Roth waren zuletzt ins Hintertreffen geraten. Sie mussten mit ansehen, wie sich die Bundestagsfraktion in der Kandidatenfrage zugunsten Trittins zu verselbstständigen drohte.

    Mit ihrer feinen Witterung für die Stimmung in der Partei hat Roth Trittins Vormarsch zunächst gestoppt und den Grünen eine Diskussion über eine Urwahl des Kandidaten aufgedrängt.

    Doch der Preis dieser Attacke ist hoch. Denn Roth macht damit einen Machtkampf öffentlich, der auch innerhalb der einzelnen Lager tobt. Roth und Trittin gehören beide der linken Flanke an. Das Hauen und Stechen funktioniert eben ganz wie bei den anderen etablierten Parteien.

    Zudem kommt der Vorstoß zu einer Unzeit. Zwei Wochen vor den Landtagswahlen im Saarland und acht Wochen vor der Abstimmung in Schleswig-Holstein ist eine Personaldebatte für jede Partei mehr als überflüssig. Die Wähler mögen es nicht, wenn sich Politiker mit internen Querelen beschäftigen, statt mit ihren Sorgen und Zukunftschancen.

    Wenn die Wahlen also nicht gut ausgehen – und danach sieht es heute aus –, muss Claudia Roth damit rechnen, für grüne Verluste mitverantwortlich gemacht zu werden.

    Unbeantwortet bleibt bislang in der Debatte, ob Jürgen Trittin überhaupt der richtige Frontmann für die Bundestagswahl wäre. In Baden-Württemberg hat es im vergangenen Jahr Winfried Kretschmann zwar geschafft, als alleiniger Spitzenkandidat die Partei an die Macht zu führen.

    Aber Kretschmann ist ein väterlicher, ausgleichender Typ, der auch bürgerliche Schichten erreichte und den Rückenwind nach der Fukushima-Katastrophe nutzte. Trittin dagegen argumentiert scharf, gelegentlich verletzend. Und seit die Bundesregierung den Grünen mit Atomausstieg und Energiewende ein wichtiges Thema wegnahm, flaut auch der Rückenwind merklich ab.

    Das Rennen um die Spitzenkandidatur der Grünen ist in jedem Fall eröffnet. Die Grünen suchen ihre Wahlkampfstars. Da wird gestichelt und geholzt. So ist das eben bei normalen Parteien.

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