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Leitartikel: Flexibler Lehrling sucht flexible Firma

Leitartikel

Flexibler Lehrling sucht flexible Firma

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    Flexibler Lehrling sucht flexible Firma
    Flexibler Lehrling sucht flexible Firma

    Lehrstellen werden zunehmend „Leerstellen“, warnt der Deutsche Industrie- und Handelskammertag. Geschätzte 75.000 Ausbildungsplätze konnten im vergangenen Jahr nicht besetzt werden. Allein für Bayern meldet die Arbeitsagentur als aktuellste Zahl 7745 unbesetzte Angebote im September. Die Furcht vieler Unternehmen auch in der Region vor einem Fachkräftemangel ist, ausgehend von diesen Zahlen, nachvollziehbar. Schließlich hängt von der Kompetenz des Nachwuchses ihre Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit ab. So hat sich zwar die Ausgangsposition für junge Leute, einen Ausbildungsplatz zu finden, deutlich verbessert. Aber der Handlungsbedarf, damit ausbildungswillige Firmen auf der einen und der ausbildungsbereite Nachwuchs auf der anderen Seite auch zusammenfinden, hat sich verschärft. Und die Situation wird sich in einer älter werdenden und schrumpfenden Gesellschaft sogar noch zuspitzen.

    Daher ist das erste Gebot eine intensivere Förderung schwächerer Absolventen. Viele Betriebe engagieren sich hier bereits. Sie haben erkannt, dass sich so mancher Jugendliche mit Nachhilfe und persönlicher Unterstützung in der Praxis zu einem fleißigen und oft besonders loyalen Arbeitnehmer entwickelt. Das muss Schule machen.

    Auch Unternehmen, die ausschließlich auf Spitzenbewerber setzen, müssen sich stärker anstrengen. Denn Schüler mit guten Noten sind jetzt im Vorteil. Sie haben die Qual der Wahl und werden, wenn sie klug sind, vor allem darauf achten, welche Perspektiven ihnen der jeweilige Ausbilder bietet. Denn die Zeiten, in denen Menschen in dem einmal erlernten Beruf über 40 Jahre arbeiten, gehören der Vergangenheit an. Eine Lehre – ob im Handwerk oder in der Industrie – bildet heute eine solide Basis, die Wege in alle Richtungen ebnet. Dies sollten sich auch Eltern vor Augen halten, die ihre Kinder um jeden Preis in eine höhere Schullaufbahn drängen. Das Bildungssystem ist heute viel durchlässiger als noch vor ein paar Jahren. Es bietet enorme Aufstiegsmöglichkeiten. Aber diese Chancen werden noch viel zu wenig ergriffen. Hier sind nicht nur die Arbeitnehmer gefragt, vor allem können Firmen auf diesen Wegen die exakt auf ihre Bedürfnisse ausgerichteten Fach- und Führungskräfte ausbilden. Dies erfordert nicht nur flexible Arbeitszeitmodelle, sondern auch Geld: Gerade junge Erwachsene können sich ein berufsbegleitendes Studium oft nicht leisten, hier muss der Arbeitgeber aktiv werden. Schließlich kann er so hoch qualifizierte Kräfte an sich binden. Neben spannenden Weiterbildungsprogrammen rücken im Wettbewerb um die talentiertesten Köpfe auch die beruflichen Rahmenbedingungen in den Mittelpunkt. Wer das Abitur in der Tasche hat und vor der Entscheidung steht, vielleicht im Ausland zu studieren oder sich an eine Firma in Form einer Ausbildung zu binden, wird hier genau hinschauen: Befristete Verträge, schlechte Bezahlung, ein mieses Betriebsklima – das überzeugt keinen.

    Flexibler aufstellen müssen sich aber nicht nur die Firmen, sondern auch die Jugendlichen. Rund 350 Ausbildungsberufe gibt es. Ein Blick auf die Top-Ten-Listen der Schüler zeigt, dass diese Auswahl nicht genutzt wird, im Gegenteil. Viele Bewerber legen sich auf wenige Berufe fest. In der Schule wird Informationsarbeit geleistet. Auch Firmen ergreifen zunehmend die Chance und gehen zu den Schülern in die Klassen. Diese Kooperation von Schule und Wirtschaft muss massiv ausgebaut werden. Denn diejenigen, die einen Beruf leidenschaftlich ausüben, können Jugendliche am besten davon überzeugen, auch in die Branche einzusteigen.

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