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Leitartikel: Eine Koalition in Abwicklung

Leitartikel

Eine Koalition in Abwicklung

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    Walter Roller
    Walter Roller

    Seit der Bundestagswahl 2009 hat Schwarz-Gelb keine Wahl mehr gewonnen. Das Bündnis von Union und FDP ist ein Auslaufmodell, die schwarz-gelbe Koalition im Bund eine Koalition in Abwicklung. Auch in Schleswig-Holstein und in Nordrhein-Westfalen, wo Anfang Mai gewählt wird, scheint es nicht den Hauch einer Chance für eine Neuauflage der „bürgerlichen“ Allianz zu geben. Das alte politische Gesetz, wonach eine Regierung in Zeiten prosperierender Wirtschaft nicht abgewählt wird, ist außer Kraft gesetzt.

    Schon heute lässt sich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit sagen, dass sich für die Regierung Merkel/Rösler keine Mehrheit mehr finden wird – selbst dann, wenn die FDP mit Müh und Not den Wiedereinzug in den Bundestag schaffen sollte. Dafür hat die zur Chaostruppe mutierte „Wunschkoalition“ des Jahres 2009 zu gründlich abgewirtschaftet. Im Grunde hält sie ja nur noch das gemeinsame Interesse am Machterhalt zusammen.

    Die FDP wäre dem Untergang geweiht, wenn sie die Koalition jetzt platzen ließe. Angela Merkel hat die Liberalen als künftigen möglichen Partner bereits abgeschrieben, scheut jedoch die unkalkulierbaren Risiken eines im Stile Schröders betriebenen Neuwahl-Abenteuers. Man sollte meinen, dass die Koalition in dieser Notlage wenigstens noch einmal zusammenzurücken versucht – und sei es nur, um Handlungsfähigkeit zu demonstrieren. Stattdessen wird die Liste der lautstark ausgefochtenen Streitpunkte immer länger.

    Pendlerpauschale, Vorratsdatenspeicherung, Praxisgebühr, Mindestlohn, Frauenquote, Betreuungsgeld, Finanztransaktionssteuer, Pflegereform, Zuwanderungspolitik und Energiewende, dazu die Dauerbrenner Steuerpolitik und Euro-Rettung: Auf all diesen Feldern bietet Schwarz-Gelb das Schauspiel einer in sich zerstrittenen, konzeptlos operierenden Regierung, die sich buchstäblich selbst zerlegt. Die Fronten verlaufen nicht nur entlang von Parteigrenzen, sondern häufig kreuz und quer durch CDU, CSU und FDP. Angela Merkel, das Kanzleramt und eine paar Schlüsselministerien halten den Laden am Laufen. In der Koalition kämpft jeder auf eigene Rechnung. Das gilt insbesondere für FDP und

    Der Existenzkampf der Liberalen verschärft die Koalitionskrise. Geführt von einem überforderten Vorsitzenden auf Abruf, setzt die verzweifelte FDP auf Profilierung und Abgrenzung gegenüber der Union. Mit teils plumper Wähleranbiederung und der Demonstration liberaler Standfestigkeit will Rösler jenen Verlust an Seriosität kompensieren, der die Hauptursache der Misere seiner Partei ist. Die FDP kämpft ums Überleben, die CSU um den Erhalt ihrer Machtstellung in Bayern.

    Die Strategie des CSU-Vorsitzenden Seehofer ist ganz darauf ausgerichtet, die CSU nur ja nicht in den schwarz-gelben Abwärtssog geraten zu lassen. Deshalb nutzt der Ministerpräsident jede Gelegenheit, die CSU als eigenständige Partei und Lordsiegelbewahrerin konservativer Wertvorstellungen und einer auf Geldwertstabilität ausgerichteten Politik zu positionieren. Daher rührt sowohl sein zur Koalitionsfrage hochgeredeter Kampf um das Betreuungsgeld als auch sein Versuch, von der Euro-kritischen Stimmung der Bevölkerung zu profitieren. Alles dient dem Zweck, in Bayern über 2013 hinaus an der Regierung zu bleiben. Dieses übergeordnete Ziel verfolgt Seehofer – notfalls auch um den Preis, dass die Koalition vollends im Stellungskampf versinkt oder gar (was nun nicht mehr auszuschließen ist) doch noch vorzeitig auseinanderbricht.

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