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Leitartikel: Die SPD ist zurück im Spiel

Leitartikel

Die SPD ist zurück im Spiel

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    Die SPD ist zurück im Spiel
    Die SPD ist zurück im Spiel

    Es wird eng in der Mitte. Die CDU will plötzlich Mindestlöhne einführen, die FDP hat sich von ihren Steuerplänen verabschiedet - und auch auf die SPD ist kein Verlass mehr. Parteitage der Sozialdemokraten waren früher häufig Hochämter des linken Flügels, dem jede noch so kleine Sozialreform ein Gräuel, jeder Bundeswehreinsatz prinzipiell suspekt und jeder Steuersatz zu niedrig war. Die SPD allerdings, die sich in dieser Woche in Berlin trifft, hat erstaunlich schnell ihre Konsequenzen aus der Blamage bei der letzten Bundestagswahl gezogen. Sie ist gerade so weit nach links gerückt, dass die Unterschiede zur Union noch sichtbar sind, aber nicht so weit, dass ihrer Politik nun das Etikett „weltfremd“ angeklebt wird.

    Wenn ausgerechnet Sigmar Gabriel eine Partei konsolidiert, die sich gerne in destruktiver Lust mit sich selbst beschäftigt, entbehrt das nicht einer gewissen Ironie. Als Ministerpräsident in Niedersachsen früh gescheitert, als Mensch und Politiker von eher sprunghaftem Naturell und als Beauftragter der SPD für Popmusik zwischenzeitlich tief gefallen, wäre der Kraftprotz aus Goslar unter normalen Umständen kaum für den Parteivorsitz infrage gekommen. Aus den Trümmern der Niederlage vom 27. September 2009 allerdings, als die SPD mit ihrem Spitzenkandidaten Frank-Walter Steinmeier auf das historische Tief von nur noch 23 Prozent abgestürzt war, ist der frühere Umweltminister mit einer Entschlossenheit gestiegen, die ihm viele Genossen gar nicht zugetraut haben.

    Dass die Partei nun bei Umfragewerten um die 30 Prozent wieder eine realistische Perspektive für die nächste Bundestagswahl hat, ist vor allem sein Verdienst. Die 91,6 Prozent bei seiner Wiederwahl liegen zwar leicht unter Gabriels Ergebnis vor zwei Jahren. Ein Vertrauensbeweis aber sind sie allemal.

    Auch wenn der linke Flügel vor dem Berliner Parteitag noch einmal kurz gezuckt und eine drastische Steuererhöhung gefordert hat, ist das alte Lagerdenken in der SPD in den vergangenen beiden Jahren einer nie erlebten Geschlossenheit gewichen, die sich unter anderem in der absoluten Mehrheit in Hamburg und einer Regierungsbeteiligung in Stuttgart ausgezahlt hat. Die Ergebnisse der übrigen Landtagswahlen waren zwar eher durchwachsen, anders als die Union jedoch hat die SPD kein Bundesland verloren, sondern immerhin zwei dazugewonnen. Ein Börsianer würde sagen: Sie stabilisiert sich auf niedrigem Niveau – eine Aktie mit Kurspotenzial also. Dass die Partei neben ihrem Vorsitzenden Gabriel mit Steinmeier und Peer Steinbrück auch noch zwei potenzielle Kanzlerkandidaten hat, die weit ins konservative Milieu hinein vermittelbar sind, beflügelt die Phantasie an der politischen Börse dabei ebenso wie die neue Stärke der Grünen. Rot-Grün ist plötzlich kein Auslaufmodell mehr, sondern eines von drei denkbaren Szenarien nach der nächsten Wahl – neben der Großen Koalition und einem schwarz-grünen Bündnis.

    Deshalb wachsen die Bäume noch lange nicht in den Himmel. Fürs Erste allerdings hat Sigmar Gabriel schon viel erreicht: Die SPD lässt sich nicht mehr schockstarr von Oskar Lafontaines Linken die Themen diktieren, sondern besinnt sich auf ihre alten Tugenden. Sie erinnert sich an ihre fast 150 Jahre alte Tradition als Partei der Arbeit, wo die linke Konkurrenz sich nur als Partei der Arbeitslosen geriert, sie bemüht sich wieder um die Gewerkschaften, hat ihre antikapitalistischen Reflexe im Griff und empfiehlt sich so neben einer schleichend nach links rückenden Union als das sozialdemokratische Original. Sie ist, salopp gesagt, zurück im Leben. Damit alleine gewinnt man zwar noch keine Wahl – aber Reputation.

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