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Leitartikel: Der Streit um das Betreuungsgeld

Leitartikel

Der Streit um das Betreuungsgeld

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    Walter Roller
    Walter Roller

    Vor fünf Jahren haben Bund, Länder und Kommunen beschlossen, bis Mitte 2013 für 35 Prozent aller ein- bis dreijährigen Kinder einen Betreuungsplatz zu schaffen. Inzwischen ist klar, dass die Politik dieses mit einem Rechtsanspruch verbundene Versprechen nicht einhalten kann. Irgendwie haben es alle gemeinsam vermasselt, wenngleich die federführende und überforderte Bundesministerin Schröder die politische Hauptverantwortung trägt. Immerhin: Der Kindertagesstätten-Ausbau, lange sträflich vernachlässigt, ist durchaus vorangekommen. Die bis zu 200000 Plätze, die wegen des akuten Mangels an Geld, Fachkräften und Entschlusskraft noch fehlen, dürften in ein paar Jahren bereitstehen. Schließlich zielt die Familienpolitik von Regierungs- und Oppositionsparteien längst darauf ab, erwerbstätigen Müttern den raschen Wiedereinstieg in den Beruf zu ermöglichen. Dies steht im Einklang mit den Wünschen der meisten jungen Familien und trägt sowohl ökonomischen Interessen als auch dem Abschied vom traditionellen Familienbild Rechnung.

    Ein gutes Betreuungsangebot ist – neben anderen Instrumenten wie dem Elterngeld – eine der Voraussetzungen dafür, dass sich Beruf und Familie leichter unter einen Hut bringen lassen und der Mut zum Kinderkriegen wieder wächst. Man müsste schon von vorgestern sein, um diesen Zusammenhang (und die Bedeutung frühkindlicher Förderung für die spätere Chancengerechtigkeit) zu leugnen. Deshalb herrscht in der Sache weitgehende Übereinstimmung darüber, dass eine moderne Familien- und Bildungspolitik die Versorgungslücken rasch schließen muss.

    Umso verkrampfter mutet der Glaubenskampf um das Betreuungsgeld an, das von der Koalition 2009 als Ausgleich für die Unterstützung berufstätiger Eltern ersonnen wurde. Es wäre längst vom Tisch, wenn die um konservative Stammwähler bangende CSU die Streitfrage nicht in den Rang einer Koalitionsfrage erheben würde. Denn die Argumente, die gegen den Zuschuss zur privaten Kleinkindbetreuung sprechen, sind stark. Wozu eine neue Sozialleistung als Kompensation dafür, dass eine staatliche Leistung nicht in Anspruch genommen wird? 100 bzw. 150 Euro monatlich schaffen keine echte „Wahlfreiheit“, könnten aber trotzdem dazu führen, dass förderungsbedürftige Kinder nicht in die Krippe gebracht werden und die Frauenerwerbsquote sinkt. Und überhaupt: Wäre es nicht besser, das knappe Geld in das Betreuungsnetz zu stecken?

    Auf den ersten Blick sieht es also tatsächlich so aus, als ob die CSU ein letztes Gefecht wider den Zeitgeist und für ein überholtes Familienmodell (Vater im Beruf, Mutter daheim bei den Kindern) führen würde. Auf den zweiten Blick hingegen zeigt sich, dass die Dinge nicht ganz so einfach liegen, wie es der ideologische Kampfbegriff „Herdprämie“ (einst Unwort des Jahres) suggeriert. Die massive Kritik am Betreuungsgeld fiele jedenfalls noch überzeugender aus, wenn nicht der Eindruck erweckt würde, als ob die staatliche Erziehung in der Krippe irgendwie besser und zeitgemäßer sei als das Aufwachsen in der Obhut der Familie.

    Der Staat hat den Eltern nicht vorzuschreiben, was das Beste für ihr Kind ist. Jede Familie soll und kann selber entscheiden, ob sie eine Krippe nutzt oder die Betreuung selber organisiert – das eine ist so legitim wie das andere. So besehen, hat das Betreuungsgeld durchaus seine Berechtigung – als kleine Geste der Anerkennung für die familiäre Betreuung der Kinder und zum Zeichen dafür, dass es verschiedene Lebensmodelle gibt und der staatlichen Bevormundung eine Grenze gesetzt wird.

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