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Kommentar: Merkel, die Vierte – und im Grunde geht es weiter so

Kommentar

Merkel, die Vierte – und im Grunde geht es weiter so

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    Sie geht in ihre vierte Amtszeit: Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bei der Unterzeichnung des Koalitionsvertrags mit Olaf Scholz (SPD, links) und Horst Seehofer (CSU).
    Sie geht in ihre vierte Amtszeit: Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bei der Unterzeichnung des Koalitionsvertrags mit Olaf Scholz (SPD, links) und Horst Seehofer (CSU). Foto: Gregor Fischer, dpa

    Die neue Große Koalition steht. Angela Merkel ist nun endgültig dem Rekordkanzler Kohl auf den Fersen, der 16 Jahre regierte und – was Merkel noch in der Hand hat – am Ende den Zeitpunkt für einen selbstbestimmten Abschied verpasste. Mit dem Notbündnis der Wahlverlierer CDU, CSU und SPD endet eine atemberaubende Achterbahnfahrt, wie sie diese Republik noch nie zuvor erlebt hat.

    Deutschland hat wieder eine handlungsfähige Regierung, die im Innern und erst recht in der Außen- und Europapolitik vor riesigen Baustellen steht. Die geschrumpften Volksparteien haben sich noch einmal zusammengerauft – aus staatspolitischer Verantwortung, aus Angst vor Neuwahlen und einem weiteren Ansehensverlust, dem demokratischen System zuliebe. Die Fähigkeit zum Kompromiss, die dazu vonnöten war, verdient Respekt. Und ja, dieser Koalition, die mit 54 Prozent gar nicht mehr so groß ist, fehlt der Zauber eines Neuanfangs, der „Jamaika“ innegewohnt hätte. Doch so schlecht, wie die aus allen Rohren feuernde, viel stärker gewordene Opposition suggeriert, sind weder das Arbeitsprogramm noch das Personal der Merkel IV-Regierung.

    Große Koalition: Weder Aufbruch noch neue Dynamik

    Das verjüngte Kabinett ist eine gute Mischung aus erfahrenen Kämpen und neuen Leuten wie dem Merkel-Herausforderer Spahn und der SPD-Ministerin Giffey, die ihre Partei mit den Schattenseiten der Massenzuwanderung konfrontieren will. Der Koalitionsvertrag steht ganz im Zeichen weitgehend sinnvoller familien- und sozialpolitischer Maßnahmen sowie dringend benötigter Investitionen. Man hat viel Geld und gibt es mit vollen Händen aus. Von einem „Aufbruch“ allerdings, wie ihn die Koalition vollmundig verheißt, ist so wenig zu spüren wie von „neuer Dynamik“. Das Programm atmet den Geist eines fürsorglichen, möglichst viel regulierenden Staates, der nie genug Steuern kriegen kann und mehr ans Geldausgeben als an die Vorsorge für schlechtere Zeiten oder die Entlastung der Normal- und Gutverdiener denkt.

    Der Gedanke, dass das Geld für den durch die Zuwanderung zusätzlich massiv belasteten Sozialstaat erwirtschaftet werden muss, ist den Großkoalitionären fremd. Und wie, bitteschön, soll dieses Land in fünf, zehn Jahren aussehen und seinen Wohlstand unter den umstürzenden Bedingungen einer digitalisierten, globalisierten Arbeitswelt bewahren? Der GroKo mangelt es an neuen, inspirierenden Ideen und dem Willen, weit über den Tag hinaus zu denken. Sie wird das Land solide verwalten, was in stürmischen Zeiten wie diesen ja nicht zu verachten ist. Im Grunde aber geht es eben doch „weiter so“.

    Regierung steht unter Druck

    Die Regierungsparteien, denen Millionen Wähler davongelaufen sind, stehen am Start mächtig unter Druck. Die SPD ist ein Sanierungsfall und könnte versucht sein, nach zwei Jahren auszusteigen – wenn es bis dahin nicht aufwärtsgeht in den Umfragen. Die CSU bangt um ihre absolute Mehrheit in Bayern. Die CDU ringt um ein schärferes (konservatives) Profil und steht, weil sich die Ära der schwächer gewordenen, nicht mehr unangefochtenen Kanzlerin dem Ende zuneigt, spätestens 2021 vor einem Führungswechsel. Die Parteien müssen jetzt „liefern“, Pläne zügig umsetzen. Die Bevölkerung braucht vor allem das Gefühl, dass der Staat die Kontrolle über die Zuwanderung gewinnt, die innere Sicherheit gewährleistet und eine auch sozial auseinanderdriftende Gesellschaft zusammenzuhalten versucht.

    Das sind die Fragen, an denen sich das Schicksal von Union und SPD entscheiden wird. Das sind die vorrangigsten Aufgaben, um das Vertrauen abgewanderter Wähler zurückzugewinnen. Scheitert die Koalition daran, geht es mit den Volksparteien weiter bergab.

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