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Kommentar: Größter Verlierer der Özil-Debatte ist die Glaubwürdigkeit

Kommentar

Größter Verlierer der Özil-Debatte ist die Glaubwürdigkeit

Tilmann Mehl
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    Mesut Özil hat für seine harsche Kritik am DFB die sozialen Medien gewählt und Rassismus-Vorwürfe gegen alle geäußert. Hat er sich da nicht verdribbelt?
    Mesut Özil hat für seine harsche Kritik am DFB die sozialen Medien gewählt und Rassismus-Vorwürfe gegen alle geäußert. Hat er sich da nicht verdribbelt? Foto: Federico Gambarini, dpa

    Natürlich haben wir in Deutschland ein Rassismus-Problem. Um das zu erkennen, hätte es nicht eines Statements von Mesut Özil bedurft. Wenn Menschen lautstark fordern, andere Menschen im Mittelmeer ertrinken zu lassen, ist das barbarisch und Zeichen wachsender rassistischer Gesinnung. Ebenso selbstverständlich leidet auch Özil unter Rassismus. Für sein Posieren mit Recep Tayyip Erdogan wurde er heftig angegangen. Aber eben nicht nur als „Idiot“ oder „Depp“, wie es wohl einem Spieler mit anderem Hintergrund widerfahren wäre, sondern auch als „Ziegenficker“. Das ist die Sprache von Rassisten. Ganz einfach.

    Rassismus-Vorwürfe: Özil hat sich richtig verdribbelt

    Der Deutsche Fußball-Verband hat es verpasst, sich vor seinen Spieler zu stellen. Genau das nämlich war Özil. Ein deutscher Nationalspieler. Er wurde in Gelsenkirchen geboren, ist dort zur Schule gegangen, hat für die Nationalmannschaft gespielt. Reinhard Grindel als Präsident des Verbandes hätte sich gegen diese widerlichen Beleidigungen stellen müssen. Es wäre kein Widerspruch gewesen, Özil für seinen Fehler zu kritisieren und ein Zeichen gegen Rassismus zu setzen. Es war nicht einfach nur eine verpasste Chance des DFB. Der Verband ist schlicht seiner Pflicht gegenüber seinem Spieler nicht nachgekommen.

    Also hat Özil Grund, gegen Grindel zu wettern. Er hat das aber auf eine Weise getan, die ihn selbst entlarvt. Özil tritt abseits des Fußballplatzes nicht gern in der Öffentlichkeit auf. Eine Meinung zu haben und dazu zu stehen, ist ihm fremd. Der DFB präsentierte ihn früher gerne als Beispiel gelungener Integration. Ein Image, das Özil dankbar annahm. Im Prinzip ist das in Ordnung: Der Mann ist Fußballer, also muss er Pässe liefern, keine ausgefeilten Meinungsbeiträge.

    Genau so einen hat sich Özil nun aber von seiner PR-Agentur formulieren lassen, eine Abrechnung mit dem DFB, dessen Sponsor Mercedes und den Medien. Auf englisch, wohlfeil formuliert. Es ist ganz klar, dass Özils einziger Beitrag an dem Werk sein Name ist. Nicht enthalten darin: ein Fehlereingeständnis. Stattdessen: Rassismus-Vorwürfe gegen alle und jeden. Der Eindruck drängt sich auf: Da hat sich jemand richtig verdribbelt.

    Reinhard Grindel ist nicht geeignet, den DFB zu führen

    Zumindest die Vorwürfe an den DFB verfangen trotzdem. Dessen Präsident Grindel ist zwar kein Rassist, wie in Özils Schreiben angedeutet. Der ehemalige Bundestags-Hinterbänkler der CDU ist allerdings auch nicht durch besondere Verdienste um die Integration aufgefallen. „Multikulti ist in Wahrheit Kuddelmuddel“, sagte Grindel 2004. Es handle sich dabei um „eine Lebenslüge“. Multikulti. Kuddelmuddel. Lebenslüge.

    Ist dieser Mann der richtige, um einen Verband mit sieben Millionen Mitgliedern – davon 20 Prozent mit Migrationshintergrund – zu führen? Einen Verband, der sich mit etlichen Projekten sehr verdient gemacht hat um die Integration?

    Nein, Grindel ist nicht der richtige Mann. Weil er offenbar unfähig ist, eine kritische Situation wie jene um Özil zu erkennen und damit umzugehen. Und: Weil er nicht glaubwürdig für Integration eintreten kann.

    Die Glaubwürdigkeit ist auf der Strecke geblieben. Bei Grindel und bei Özil. Erschwerend hinzu kommt eine Verrohung der Sprache, wie sie bisher von Kellerkneipen nachts um zwei Uhr bekannt war. AfD-Frontfrau Alice Weidel bezeichnet Özil als Beispiel für eine „gescheiterte Integration von viel zu vielen Einwanderern“. Uli Hoeneß wettert über den „Dreck“, den Özil gespielt habe. Fußball ist ein Teil der Gesellschaft. Er spiegelt deren Probleme. Fußball kann aber auch Debatten anstoßen. Diese Chance muss der DFB nun nutzen. Mit neuem Personal auf allen Ebenen.

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