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Kommentar: Die Kirche lässt Weltbild zittern

Kommentar

Die Kirche lässt Weltbild zittern

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    Michael Kerler, Politik-Redaktion
    Michael Kerler, Politik-Redaktion Foto: Ulrich Wagner

    Die katholischen Gesellschafter der Augsburger Verlagsgruppe Weltbild haben sich gestern um eine öffentliche Entscheidung gedrückt. Sie „bemühen sich um eine Lösung für den Fortbestand des Unternehmens“, teilen sie mit. Das ist das Minimum. Ein klares Bekenntnis sieht anders aus.

    Trauerspiel dauert seit Jahren an

    Um Weltbild spielt sich ein Trauerspiel ab. Eines, das seit Jahren andauert. Der Umgang der kirchlichen Eigentümer mit ihrem Konzern erscheint inzwischen fast verantwortungslos. Weltbild gehört zwölf deutschen Diözesen, dem Verband der Diözesen und der Soldatenseelsorge Berlin. Doch die Eigentümer sind tief zerstritten.

    Sicher, die katholische Kirche kann sich fragen, ob ein Medienkonzern mit einem Umsatz von 1,59 Milliarden Euro zu ihr passt. Papst Franziskus hat zuletzt für eine „arme Kirche und eine Kirche für die Armen“ geworben. Und konservative Kreise der Kirche möchten sich seit Jahren von Weltbild trennen – koste es, was es wolle. Das Verlagshaus ist damit in ein Mahlwerk katholischer Ideologien geraten.

    Weltbild steht bisher für faire Arbeitsbedingungen

    Die inneren Kämpfe entbinden die Gesellschafter jedoch nicht von ihrer Pflicht zu einem verantwortungsvollen Umgang mit dem Unternehmen – vor allem mit seinen 6800 Mitarbeitern. Weltbild steht bisher für faire Arbeitsbedingungen. Dieses Kapital sollte die Kirche nicht verspielen. Ein Betriebsrat und angemessene Tarifverträge, wie sie Weltbild hat, sind im Versandhandel nicht selbstverständlich. Das zeigen die Arbeitskämpfe beim großen Konkurrenten Amazon.

    Zuletzt haben einige kirchliche Gesellschafter Weltbild geschadet. Gravierende Folgen für die Glaubwürdigkeit des Unternehmens hatte die Debatte um erotische und esoterische Bücher: Wenn zum Beispiel Kölns Kardinal Joachim Meisner 2011 sagt, die Kirche könne nicht im Besitz eines Unternehmens sein, das „Schund und Schmutz“ verbreite, zeichnet er ein Zerrbild. Weltbild ist nicht Beate Uhse, Pornografie hat man nie vertrieben. Und erotische Titel wie „Shades of Grey“ werden mittlerweile in Supermärkten verhökert. Im Weltbild-Sortiment spielen diese Titel zudem nur eine marginale Rolle.

    Aktuell größtes Problem für Weltbild ist aber die seit einem Jahr von den Eigentümern hinausgezögerte Gründung einer Stiftung. Diese war eine große Chance: Die Bischöfe wären aus der Verantwortung für das Sortiment entlassen worden, die Banken hätten Sicherheit über die Eigentümerstruktur gewonnen. Jetzt scheint es für die Stiftung zu spät zu sein. Sollte dahinter ein bewusstes Hinauszögern und Taktieren einiger Bischöfe stehen, wäre dies aus Sicht der Beschäftigten fatal.

    Offenbar ist die Kirche mit der Aufsicht überfordert.

    Wo liegen die Ursachen der Probleme? Offenbar ist die Kirche mit der Aufsicht über einen Milliarden-Konzern überfordert.„Weltbild“ mochte vor Jahrzehnten eine fromme Zeitschrift gewesen sein, schrieb aber auch Defizite. Der Niederländer Carel Halff kam 1975 als Geschäftsführer – und hat Weltbild Schritt für Schritt zu einem der größten Medienhändler Europas ausgebaut. Plötzlich fanden sich die Eigentümer in der Rolle von Großunternehmern wieder, die die meisten nie sein wollten. Das entlässt sie aber nicht aus ihrer Verantwortung. Weltbild muss den digitalen Wandel meistern, es muss investieren und braucht Kapital.

    Papst Franziskus geht es nicht allein um eine arme Kirche. Er hat auch zugesagt, ein guter Diener der Menschen sein zu wollen – mit viel Milde, geduldig und barmherzig, wie Erzbischof Robert Zollitsch in Fulda sagte. Auch darum geht es.

    Nicht nur die Banken warten bei Weltbild auf verlässliche Entscheidungen der Gesellschafter. Vor allem auch rund 6800 Mitarbeiter.

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