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Kommentar: Die Große Koalition ist nach einem Jahr bereits erledigt

Kommentar

Die Große Koalition ist nach einem Jahr bereits erledigt

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    Seit einem Jahr regieren sie zusammen: Andrea Nahles (links), die Vorsitzende der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD), und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU).
    Seit einem Jahr regieren sie zusammen: Andrea Nahles (links), die Vorsitzende der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD), und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Foto: Bernd von Jutrczenka, dpa

    Wer sagt, dass in der deutschen Politik nicht mehr diskutiert wird? Das ganze letzte Wochenende war Thema, wann denn nun der Stabwechsel im Kanzleramt stattfinden solle, Ex-SPD-Chef Sigmar Gabriel hatte im Interview mit unserer Redaktion eine Debatte darüber losgetreten. Zu Wochenbeginn ging es gleich munter weiter, Sujet diesmal: Europa. Unionschefin Annegret Kramp-Karrenbauer (AKK) antwortete nämlich betont unterkühlt auf die Reformideen von Emmanuel Macron.

    Nur, wer die Namen anschaut, dem fällt gleich auf: Die aktuellen Akteure der Großen Koalition im Bund kommen in solchen Debatten gar nicht mehr vor. Gabriel ist, obwohl er fleißig durch die Republik reist, bloß mehr Handlungsreisender in eigener Sache. Als GroKo-Vertreter hätten sich Parteichefin Andrea Nahles oder Vizekanzler Olaf Scholz zu Wort melden müssen. Koalitionschefin – und damit dem französischen Präsidenten eine Antwort schuldig – ist zudem ungeachtet aller AKK-Präsenz immer noch: Angela Merkel.

    Es tut sich also gerade politisch sehr viel in Deutschland, es werden Positionen neu vermessen, inhaltliche Schärfungen vorgenommen. Nur auf die Große Koalition färbt davon nichts ab. Sie feiert ihren Jahrestag, aber sie könnte auch schon ihren Todestag begehen: Sie ist schlicht erledigt.

    Die GroKo war von Anfang an keine Liebesheirat

    Natürlich ist das Bündnis von Anfang an keine Liebesheirat gewesen, sondern eine Vernunftehe. Nun erscheint sie vielen Beteiligten nicht mal mehr vernünftig – zumal sie ja nach zwei Jahren ohnehin ihre eigene Rundum-Überprüfung vorgesehen hat.  Gewiss, sie regiert, erlässt (gar nicht so wenige) Gesetze. Aber eine Regierung kann nicht nur verwalten, sie muss gestalten, etwa die Zukunft. In dieser Hinsicht kann die Note auf dem Jahreszeugnis nur lauten: ungenügend.

    Eigentlich wissen das auch alle Beteiligten. Die Sozialdemokraten haben längst eingesehen, dass ihnen die so ersehnte Erneuerung in der Koalition nicht gelingen wird. Auch die Union kann wenig Interesse daran haben, dass die neue Hoffnungsträgerin AKK sich noch jahrelang neben der Kanzlerin warmlaufen muss. Sonst ist nämlich das Neue bald weg und es häufen sich die Chancen für Fehler, Stichwort: Karneval. Irgendwann wird, Stichwort Macron, zudem dem Rest der Welt die Aufgabenteilung zwischen einer außenpolitisch agierenden Noch-Kanzlerin und einer sich profilierenden Nachfolgerin immer absurder vorkommen.

    Daher ist dies die erste Koalition, die Großes vollbringen kann, nicht im Miteinander – sondern in der Frage, wie sie auseinandergeht. Das ist nämlich gar nicht so einfach: Merkel kann (und will vielleicht auch nicht) einfach abtreten. Die SPD könnte zwar, schon weil manche ihrer Minister sehr an ihren Posten hängen, selbst AKK zur Nachfolgerin mit wählen. Die Verachtung ihrer Basis wäre den Parteioberen dann freilich endgültig sicher.

    Es bleiben für eine Regierung nur zwei Optionen

    Daher bleiben eigentlich nur zwei Optionen. Entweder ein neuer Anlauf für ein Jamaika-Bündnis, für den es schon eine Mehrheit gab, aber nicht genug politische Klugheit der Beteiligten, vor allem bei FDP-Chef Christian Lindner. Der hat seinen Fehler eingesehen und bietet sich nun an (die erstarkten Grünen werden sich mehr zieren).

    Oder es kommt, sauberer noch, zu Neuwahlen – und danach vielleicht zu dem Experiment Schwarz-Grün. Ganz gleich, welche Konstellation aber: Alles wäre besser für das Land – und die Außenwirkung von Politik – als ein verlängertes Dahinsiechen der GroKo.

    Diese kann nur noch Großes schaffen, wenn sie einen großen Abgang hinlegt.

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