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Kommentar: Die Entzauberung einer Institution

Kommentar

Die Entzauberung einer Institution

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    Die Entzauberung einer Institution
    Die Entzauberung einer Institution

    Das muss man nicht lustig finden, wahr daran ist: Die Kirche präsentiert sich in einem traurigen Zustand. In Deutschland, wo sich ein konservatives und ein linksliberales Lager unversöhnlich gegenüberstehen, wie im Vatikan.

    Seit Monaten dringt mehr oder minder Brisantes von dort nach außen. Geldverschwendung. Korruption. Die Enthüllungen scheinen ein Geflecht aus Intrigen offenzulegen. Der „Vatileaks“-Skandal entzaubert die Kirche als moralische Institution. Er zeigt, dass dem Papst die Dinge entgleiten. Benedikt XVI. ist 85. Immer öfter gibt er zu erkennen, dass das Alter seinen Tribut fordert. Benedikt ist ein großer Theologe, kein Machtpolitiker. Umso höher kann man ihm sein Engagement im Kampf gegen den Missbrauch innerhalb der Kirche anrechnen. Sein Versuch, die Vatikanbank zu ordnen, ist mit dem Abgang von deren Chef jedoch gescheitert. Der Bank werden Geldwäsche, Steuerbetrug und Mafiakontakte vorgeworfen. Nur einem starken Papst gelingt noch ihre Neuordnung.

    Es ist nicht geklärt, wer hinter Vatileaks steckt und wem welche Enthüllung wie nutzt. Gut möglich, dass es sich um einen Richtungsstreit handelt, der mit Mitteln ausgetragen wird, die aus dem politischen System bekannt sind: Durchstechereien an Medien, Bildung von Seilschaften und Zweckbündnissen, geheime Absprachen, Herabsetzung Andersdenkender. Der Unterschied: Von kirchlichen Würdenträgern erwartet man derlei nicht. Sie sollen das Wort Gottes nicht nur predigen, sie sollen es (vor-)leben. Spätestens seit Vatileaks ist klar, dass das eine naive Vorstellung sein kann.

    Zweifellos um den Kurs der Kirche ringen Traditionalisten und Reformer in Deutschland. Auf Ebene der Bischöfe haben die Konservativen momentan mehr Gewicht. Wobei: Was bedeutet schon katholisch-konservativ, „rechts“? Ein für seine Aussagen berüchtigter Bischof wie Müller in Regensburg, ist manchem im Vatikan zu „links“. Müller, als nächster Präfekt der Glaubenskongregation gehandelt, nannte Reformgruppen eine „parasitäre Existenzform“. Zudem: Nicht auf jedes Konfliktthema – Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen, Zulassung verheirateter, bewährter Männer zum Priesteramt – lässt sich das Links-Rechts-Schema anwenden. Im Falle der im Bistum Augsburg heftig umstrittenen Strukturreformen mischen sich etwa die Lager mit der sehr großen Gruppe der Katholiken, die keiner Seite zuzurechnen ist.

    Die Kirche müsse der Politik nicht alles nachmachen, sagte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Zollitsch, kürzlich zu Recht. Das dürfte ein frommer Wunsch bleiben.

    Besonders ernüchternd wirkt der Blick gen Rom. Paul VI. (1963–1978) meinte einmal: „Politik ist die höchste Form der Nächstenliebe.“ Kardinal Scola, der Erzbischof von Mailand, zitierte ihn damit 2009. Ausgerechnet Scola. Er war 2005 als Nachfolger Johannes Pauls II. im Gespräch. Soll er wieder in Stellung gebracht werden? Ist er Teil von Vatileaks? Fest steht, dass Scola ein Gegner des Kardinalstaatssekretärs Bertone ist: Viele Enthüllungen betreffen den als eigenmächtig kritisierten Vertrauten Benedikts.

    Politik als höchste Form der Nächstenliebe? Vor diesem Hintergrund erhält der Satz einen bitteren Beigeschmack. Kirche sollte Partei ergreifen, ihr politisches Handeln sollte sich aber nicht an Parteipolitik orientieren. Tut es das, spielt sie mit ihrer Glaubwürdigkeit und verspielt das Vertrauen, das Millionen Menschen in sie haben.

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