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Kommentar: Bezahlt der Kunde den Preis für den Kohleausstieg?

Kommentar

Bezahlt der Kunde den Preis für den Kohleausstieg?

Rudi Wais
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    Der Zeitplan für den Kohleausstieg ist ambitioniert.
    Der Zeitplan für den Kohleausstieg ist ambitioniert. Foto: Patrick Pleul/Illustration, dpa (Symbolbild)

    Wenn Umweltpolitiker sich die perfekte Welt malen dürften, stünden dort kein Kernreaktor und kein Kohlekraftwerk mehr. Unsere Autos würden von Elektromotoren angetrieben, und die deutsche Wirtschaft wäre nur deshalb so erfolgreich, weil sie sich aus den alten, klimaschädlichen Industrien verabschiedet und kräftig in neue, ökologische Geschäftsfelder wie die E-Mobilität oder die Speichertechnik für regenerative Energien investiert hat. Mit grünen Ideen schwarze Zahlen schreiben, hat der frühere Grünen-Chef Fritz Kuhn das einmal genannt.

    Leider ist die Welt noch nicht ganz so perfekt – und deshalb birgt auch der Kompromiss zum Kohleausstieg jede Menge Risiken. So vernünftig es ist, sich auf lange Sicht komplett aus den fossilen Energien zu verabschieden, so belastend ist die in einer turbulenten Nachtsitzung verabredete Strategie für den Standort Deutschland mit seinem gewaltigen Energiebedarf und seinen im internationalen Vergleich schon jetzt ruinös hohen Strompreisen. Den Atomausstieg mit eingerechnet, geht es um nicht weniger als die Hälfte aller Kraftwerkskapazitäten, die innerhalb von 20 Jahren ersetzt werden sollen.

    Nur mit regenerativen Energien wird der Ausstieg kaum zu stemmen sein

    Wie das funktionieren soll, ohne auf russisches Erdgas oder tschechischen Atomstrom zurückgreifen zu müssen, ist keine akademische Frage, sondern eine sehr reelle. Mit Strom aus Wind, Sonne und Biomasse alleine wird dieser Kraftakt kaum zu stemmen sein, zumal der Netzausbau und die Erforschung neuer Speichertechnologien nur schleppend vorankommen und auch die geplanten neuen Gaskraftwerke erst einmal gebaut werden müssen.

    Der Versuch, fast zeitgleich aus Atomkraft und Kohle auszusteigen, ist mit dem Adjektiv „ambitioniert“ noch vorsichtig umschrieben. Damit Deutschland seine Klimaziele nicht wieder verfehlt, will die Kohlekommission schon in den nächsten drei Jahren im großen Stil Kohlekraftwerke vom Netz nehmen, alles in allem knapp 30 Prozent der aktuellen Leistung. Wie sich das mit dem Ziel verträgt, die Elektromobilität zügig auszubauen, ist offen – mehr E-Autos benötigen ja auch mehr Strom. Umso befremdlicher ist es, dass es vielen Klimaschützern mit dem Ausstieg noch nicht schnell genug geht. Die perfekte Welt aber, die sie sich malen, gibt es nicht auf Befehl. Politik ist die Kunst des Möglichen – und die hat die Kommission unter dem Druck, sich zu einigen, bis an die Grenze des Möglichen ausgedehnt.

    Für den Verbraucher könnte der Kohleausstieg teuer werden

    Der über Stromsteuer und Öko-Umlage schon jetzt arg geschröpfte Verbraucher spielte dabei allenfalls am Rande eine Rolle. Damit sein Strom nicht noch teurer wird, soll die Regierung in Zukunft Zuschüsse von zwei Milliarden Euro im Jahr beisteuern – eine Posse, wie sie auch aus Schilda stammen könnte: Den Preis für den stabilen Strompreis zahlt der Stromkunde selbst, nämlich über seine Steuern. Auch die 40 Milliarden Euro an Entschädigungszahlungen für die Kohleregionen werden die jeweiligen Finanzminister kaum aus der Portokasse bezahlen können. Gut möglich also, dass die Energiewende über noch höhere Steuern und Abgaben erkauft werden muss.

    Ob Deutschland sich im Jahr 2038 als eines der ersten Länder der Welt nahezu komplett mit Strom aus Erneuerbaren versorgt, steht trotzdem noch in den Sternen. So einfach, wie es scheinen soll, wird der Ausstieg aus der Kohle kaum zu schaffen sein – und so schnell womöglich auch nicht. Deshalb muss die Bundesregierung auch das vermeintlich Undenkbare denken und in ihr Kohlegesetz neben der Option auf einen früheren Ausstieg, wie die Kommission es vorschlägt, auch die Option auf einen verlängerten Ausstieg aufnehmen. Am Ende zählt schließlich nur eines: eine sichere Versorgung.

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