Startseite
Icon Pfeil nach unten
Meinung
Icon Pfeil nach unten

Gute Gelegenheit zur Selbstkritik

Meinung

Gute Gelegenheit zur Selbstkritik

    • |
    Gute Gelegenheit zur Selbstkritik
    Gute Gelegenheit zur Selbstkritik

    Der heutige Reformationstag ist für evangelische Christen immer auch ein Tag der Selbstbesinnung. Oder, moderner formuliert, für eine Standortbestimmung: Was war? Was ist? Das gilt ebenso für die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD), die heute in Augsburg das bundesweite Themenjahr 2014 „Reformation und Politik“ eröffnet, um damit auf das Reformationsjubiläum 2017 hinzuführen. Es gibt also gleich mehrere Anlässe zu einer selbstkritischen

    Dazu zwei Aufforderungen – und ein Wunsch:

    Was war? Am 31. Oktober 1517 soll Martin Luther seine 95 Thesen an die Tür der Wittenberger Schlosskirche angeschlagen haben. Seine Kritik an kirchlichen Missständen hatte vielfältige Auswirkungen, darunter die Spaltung in evangelische und katholische Kirche. Deren Überwindung ist zahlreichen Christen ein Bedürfnis; manch einer erhofft sich vom Papst gar wahre Wunderdinge in Sachen Ökumene. Allerdings klaffen Wunsch und Wirklichkeit auseinander: Die Einheit der Kirche steht eben nicht (un-)mittelbar bevor.

    Kürzlich sagte Nikolaus Schneider, der EKD-Ratsvorsitzende, unserer Zeitung, dass er „neue ökumenische Initiativen“ des Papstes nicht erkennen könne. Hohe katholische Würdenträger wiederum sind über das „Familienpapier“ der EKD verstimmt. In dem wird gefordert, gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften anzuerkennen. Evangelische und katholische Kirche trennt mehr, als sie verbindet. Sollte das in Feiertagsreden beschönigt werden, wäre niemandem geholfen. Daher die Aufforderung: realistisch und ehrlich bleiben.

    Was ist? Vielleicht liegt es daran, dass „Demokratie“ kein Fremdwort in der evangelisch-lutherischen Kirche ist – dass sie geübt ist im Umgang mit Kritik und Kritikern. Vielleicht liegt es daran, dass evangelische Pfarrer heiraten dürfen. Oder daran, dass Protestanten keinen Papst haben. Die EKD jedenfalls ist in der breiten öffentlichen Wahrnehmung weniger präsent als die katholische Kirche.

    Über die wird zurzeit wieder ausgiebig gestritten, dem Limburger Bischof sei Dank. Und wenn es einmal, nur zum Beispiel, keine Diskussionen über den Ausschluss wiederverheirateter Geschiedener von der Kommunion geben sollte, dann machen eben die jüngsten Worte des Papstes Schlagzeilen – immerhin meist positive.

    Die EKD steht, was ihre breite öffentliche Wahrnehmung betrifft, im Schatten der katholischen Kirche. Aus ihrer Sicht ist das gewiss kein Nachteil, wenn es um Skandale geht, an denen es auch der evangelischen Kirche nicht mangelt. Das Schattendasein hat aber aus einem anderen Grund durchaus sein Gutes, denn die Dauerdiskussionen in und um die katholische Kirche legen diese bisweilen regelrecht lahm. Das kirchliche Leben nimmt zwar auf allen Ebenen seinen Lauf, doch wird es überlagert von einer fortwährenden Beschäftigung mit eigenen Problemen. Wie kräftezehrend das ist, hat die EKD an der in ihren Reihen sehr emotional geführten Debatte um das Familienpapier gemerkt.

    Daher die Aufforderung: Die evangelische darf sich nicht wie die katholische Kirche in internen Diskussionen verlieren. Sie muss stattdessen zu einer wieder deutlicher vernehmbaren Stimme in der gesellschaftspolitischen Diskussion werden. Dies ist ihr etwa beim Thema Asylpolitik bereits gelungen.

    Bleibt der Wunsch, dass evangelische und katholische Kirche häufiger mit einer Stimme sprechen. Dann hätte ihre Stimme, ihr Einsatz für Mensch und Schöpfung, größeres Gewicht. In den aktuellen politischen Debatten fehlt diese Stimme der Kirchen leider zu oft.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden