Nach allgemeinem Verständnis zieht eine „rote Linie“ eine scharfe Grenze nach dem Motto: „Bis hierher und nicht weiter!“ Seit sich gestern der CSU-Vorstand traf, um über die nächsten Schritte bei der Bewältigung der Staatsschuldenkrise in Europa zu reden, muss über diese allzu strenge Definition neu nachgedacht werden. Aus der „roten Linie“, die CSU-Chef Seehofer immer wieder wortreich gezogen hatte, ist ein recht elastisches Gummiband geworden.
Seehofer bestreitet das. Die Logik seines Konstrukts sieht in etwa wie folgt aus: Deutschland bürgt zwar jetzt theoretisch für mehr als für die 211 Milliarden Euro, die bisher als rote Linie festgelegt wurden. Dass Deutschland im Bürgschaftsfall auch zahlen muss, sei aber unwahrscheinlich, weil die Bürgschaft an Bedingungen geknüpft sei. Entweder die Schuldnerländer halten sich an die Bedingungen, dann tritt – so die Hoffnung – der Bürgschaftsfall gar nicht ein. Oder die Schuldnerländer halten sich nicht dran, dann könnte der Bundestag immer noch Nein sagen.
Seehofer könnte auch einfach sagen: Wir müssen mehr tun, um Europa zusammen und den Euro stabil zu halten. Doch dann würden ihm viele in der CSU nicht mehr folgen und die Koalition in Berlin wäre am Ende.