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Die Karten sind neu gemischt

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    Winfried Züfle
    Winfried Züfle Foto: Wagner

    Wenigstens in den allerletzten Minuten seines Israel-Besuchs ist US-Präsident Barack Obama ein spektakulärer Erfolg geglückt: Bereits auf dem Ben-Gurion-Flughafen in Tel Aviv angekommen, konnte er Israels Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu dazu bringen, sich beim türkischen Regierungschef für die Toten zu entschuldigen, die es im Mai 2010 beim Angriff auf die Gaza-Flottille gegeben hatte. Recep Tayyip Erdogan nahm an, das Verhältnis beider Länder kann sich nun wieder normalisieren.

    Doch für den Frieden zwischen Israel und den Palästinensern hat der Besuch des US-Präsidenten nichts gebracht. Dafür hat er sein Ansehen im Staat Israel tüchtig aufpoliert. Barack Hussein Obama, dem in Tel Aviv und Jerusalem gerne unterstellt wurde, kein wirklicher Freund des jüdischen Staates zu sein, hat in dieser Hinsicht alle Zweifel ausgeräumt. Seine Solidaritätsbeteuerungen kamen nicht nur beim Volk gut an, sondern auch beim bisher gegenüber Obama so störrischen Netanjahu, den der Mann aus dem Weißen Haus jetzt sogar seinen „Freund Bibi“ nennt.

    Obama hat im Gegenzug die US-Position zu Lasten der Palästinenser verändert. Er vertritt zwar weiter die Zwei-Staaten-Lösung – und hat in Israel sehr viel leidenschaftlicher für einen eigenen Palästinenserstaat geworben, als dies die jüdische Regierung tut. Aber er hat nicht mehr den sofortigen und totalen Stopp des Siedlungsbaus im besetzten Westjordanland verlangt. Damit ließ er Palästinenserpräsident Mahmud Abbas im Regen stehen. Dieser sieht im Siedlungsstopp die Vorbedingung für Friedensgespräche. Wobei er auf einschlägige UN-Resolutionen und den Völkerrechts-Grundsatz verweisen kann, kein Staat dürfe sich vor Abschluss eines Friedensvertrages erobertes Territorium einverleiben. Bisher durfte Abbas davon ausgehen, dass er in dieser Hinsicht auch von den USA unterstützt wird.

    Allerdings ist die Argumentation des Palästinenserpräsidenten taktisch bestimmt. Hinter der Forderung nach einem Siedlungsstopp kann Abbas mühelos alle Landsleute versammeln. Ganz anders sieht es in der Frage der Anerkennung des jüdischen Staates und eines Gewaltverzichts gegenüber Israel aus. Um zu einer Friedenslösung zu kommen, muss auch in diesen Punkten Einigkeit herrschen. Der Ruf nach dem Ende des Siedlungsbaus verdeckt somit, dass nicht nur die Israelis, sondern auch die Palästinenser Friedenshindernisse aus dem Weg räumen müssen.

    Soll es zum Neubeginn bei den Friedensgesprächen im Nahen Osten kommen, wird sich Obama noch etwas einfallen lassen müssen. Immerhin hat er noch drei Jahre Zeit. Zuletzt haben alle US-Präsidenten in ihrer zweiten Amtszeit versucht, den Nahost-Konflikt zu lösen. Bill Clinton hätte es im Jahr 2000 in Camp David in Gesprächen mit Palästinenserpräsident Jassir Arafat und Israels Regierungschef Ehud Barak sogar beinahe geschafft. Auch sein Nachfolger George W. Bush unternahm einen Versuch. 2007 kündigte er auf der Annapolis-Konferenz an, die historische Auseinandersetzung werde innerhalb eines Jahres beendet. Doch das großspurige Versprechen war nicht einzulösen.

    Immerhin hat Obama mit seiner Sympathieoffensive in Israel erreicht, dass er nun Ruhe an einer weiteren diplomatischen Front hat: Er muss zunächst keine Alleingänge Netanjahus in Sachen Iran befürchten. Damit gibt zumindest für die kommenden Monate weiter die Diplomatie den Ton an beim Versuch, das Mullah-Regime vom Bau einer Atombombe abzuhalten. Allerdings ist davon auszugehen, dass Obamas neuer Freund Netanjahu auf längere Sicht mehr Gehör im Weißen Haus finden wird.

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