Es ist ein schmaler Grat zwischen Terrorismus und Freiheitskampf. Wenn aber kurdische Kämpfer zeitgleich mehrere türkische Militärposten in der an der Grenze zum Irak gelegenen Provinz Hakkari unter Feuer nehmen und 24 Soldaten töten, dann ist das ein terroristischer Überfall, mögen die ursprünglich der Bewegung zugrunde liegenden Motive noch so edel sein.
Der ungelöste Kurdenkonflikt hat die Türkei unversehens aus allen Träumen gerissen. Mag die wirtschaftliche Entwicklung noch so gut verlaufen, mag die Symbiose zwischen Demokratie und Islam noch so erfolgreich erscheinen – die ethnische Minderheit der Kurden wird trotz unbestreitbarer Fortschritte noch immer nicht angemessen behandelt. Die kurdischen Kernsiedlungsgebiete im Osten der Türkei gehören zu den am wenigsten entwickelten Landesteilen, die Sprache der Kurden wird im Alltag nicht als gleichwertig anerkannt, und selbst die gemäßigte politische Vertretung der Volksgruppe, die Partei BDP, wird schikaniert. Überdies hat die türkische Seite einen von kurdischen Kämpfern einseitig erklärten Waffenstillstand nicht erkennbar honoriert.
All dies darf jedoch keine Rechtfertigung sein für Terrorismus, wie ihn die Kurdische Arbeiterpartei PKK praktiziert. Aus ihrem Rückzugsraum im irakischen Kandil-Gebirge stießen die Angreifer wieder einmal vor, um nach dem Massaker flugs dorthin zu verschwinden. Dass die türkische Führung unter Missachtung der territorialen Integrität des Irak ihre Soldaten den flüchtenden Terroristen hinterherschickte, ist verständlich. Ob der Vorstoß mit Bodentruppen und Kampfflugzeugen zur Ergreifung der Täter führt, muss dennoch bezweifelt werden. Ähnliche Aktionen in den vergangenen Jahren haben die PKK jedenfalls nicht nachhaltig schwächen können.
Die Kurden, nach Schätzungen 24 bis 27 Millionen Menschen, die verstreut in fünf Ländern leben, wobei ihre überwiegende Zahl in der Türkei zu Hause ist (13 Millionen), haben in der Geschichte noch nie einen eigenen Staat gebildet. Diesen hat sich aber die PKK zum Ziel gesetzt. Er ist auf friedlichem Weg jedoch nicht erreichbar.
Ein realistisches Ziel für die Kurden sind autonome Provinzen. In dem nach dem Sturz Saddam Husseins neu geordneten Irak konnten sie dies durchsetzen. Auch in der Türkei, die vor einer Verfassungsreform steht, wäre die regionale Autonomie eine Lösung. Dazu müssten sich die Kurden von der PKK abwenden. Die Regierung Erdogan müsste im Gegenzug den friedlichen Kurden im Land entgegenkommen und die türkischen Nationalisten in die Schranken weisen. Dieser Weg wäre erfolgversprechender, als den Konflikt noch jahrelang militärisch auszutragen.