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Das Auf und Ab der Grünen

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Das Auf und Ab der Grünen

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    Das Auf und Ab der Grünen
    Das Auf und Ab der Grünen

    Eigentlich hätte dies ein Wochenende nach dem Geschmack der Grünen werden können, werden müssen: Erst auf dem Parteitag in Kiel sich selbst und den ersten eigenen Ministerpräsidenten feiern und dann – während sich Vorstand und Delegierte zum Demonstrieren gegen den Castor-Transport ins Wendland nach Gorleben begeben – möglicherweise als Höhepunkt des Bürgerprotestes das Ende des Milliardenprojekts „Stuttgart 21“ durch einen Volksentscheid feiern. Es wäre ein perfektes Szenario gewesen, das die Erfolge seit der Bundestagswahl 2009 hätte abrunden können – zumal das Jahr 2011 mit der Reaktorkatastrophe von Fukushima und dem nachfolgenden deutschen Atomausstieg die Partei auf ihrem ureigensten Themengebiet so dramatisch bestätigt hat. Dieses Erfolgsszenario wäre eine Basis dafür, wie selbstverständlich in zwei Jahren wieder Regierungsverantwortung zu übernehmen.

    Die grüne Wirklichkeit Ende November 2011 sieht anders aus. Die Zeit traumhafter Umfrage- und Wahlergebnisse ist vorerst beendet. Der Castor-Transport wird auch diesmal sein Ziel erreichen. Die Umfragen in Baden-Württemberg besagen, dass Stuttgart 21 nicht am Volk scheitern wird und der erste grüne Ministerpräsident Winfried Kretschmann mit dem ungeliebten Projekt wird leben müssen. Zudem brechen wieder parteiinterne Gräben zwischen Fundis und Realos auf, was zum Beispiel im Scheitern der rot-grünen Koalitionsverhandlungen nach den Wahlen im Land Berlin zum Ausdruck kam und nun auf die ganze Partei ausstrahlen könnte. Das wäre das Ende der Geschlossenheit.

    Vor gut einem Jahr, als mit der bundesweit geführten Stuttgart-21-Debatte der kometenhafte Aufstieg der einstigen „Alternativen“ begann, spielte auch die Piratenpartei noch keine Rolle. Die zeichnet sich momentan aber durch jene unbefangene, manchmal auch unpolitische Frische aus, auf die in den vergangenen 30 Jahren die Grünen abonniert zu sein schienen. Das ist zugleich ein Zeichen dafür, dass die Grünen älter geworden sind, dass sie zum politischen Establishment gehören.

    Fukushima, das bei den Landtagswahlen im März in Baden-Württemberg für die Grünen noch so etwas wie politischer Turbolader war, ist zeitlich inzwischen wieder zu weit weg, als dass die Partei noch entscheidend davon profitieren könnte. Andere Themen beherrschen die Debatte. Die Finanzpolitiker führen in der Schuldenkrise wieder das Wort, Ökologie und Energiewende müssen sich hinten anstellen.

    Das wird sich auch auf dem bevorstehenden Parteitag zeigen, wenn der Fraktionschef und Möchtegern-Finanzminister Jürgen Trittin sein scharf links gestricktes Steuermodell vorlegt, das die Spitzenverdiener erheblich mehr als bisher an der dringenden Haushaltssanierung beteiligt. Er wird sich damit in der Partei nicht nur Freunde machen, denn es widerspräche den grünen Vorstellungen einer stets auch ökologisch ausgerichteten Staatsfinanzierung.

    Kiel 2011 wird für die Grünen richtungsweisend sein. Wenn sie in zwei Jahren wieder mit am Kabinettstisch im Kanzleramt sitzen wollen, müssen sie den momentanen Abwärtstrend stoppen und neue Wege aufzeigen, die sie vom verunsicherten jungen Protestwähler bis zum ökologisch denkenden Gutverdiener interessant macht.

    Ein Selbstläufer ist das nicht. Diese Erfahrung haben die Grünen in diesem Jahr des Auf und Ab gemacht. Noch einmal werden sie es sich nicht leisten können, wie in Berlin an der fundamentalen Ablehnung eines Autobahnprojekts eine Regierungsbeteiligung scheitern zu lassen. Zum politischen Erfolg gehört es auch, einmal eine Kröte schlucken zu können.

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