Flammen knistern, Hüttentüren quietschen. Im Schatten kuscheln Schafe. Vor vielen Jahren haben unsere Vorfahren hier ihr Menschsein entdeckt. Doch bis heute will die Jungsteinzeit besichtigt werden. Groß und Klein folgten vergangenen Sonntag der Einladung in längst vergangene Zeiten: ins Steinzeitdorf Pestenacker. Das große Sommerfest bot nicht nur Geschichte zum Mitmachen, sondern macht Pestenacker als Teil des Weltkulturerbes „Prähistorische Pfahlbauten um die Alpen“ für alle Altersgruppen sichtbar und erlebbar.
Lehrerinnen freuen sich über das neue pädagogische Konzept
Das ausgebaute Angebot kommt bei den Besucherinnen und Besuchern gut an. „Ich freue mich, dass der Staat endlich investiert und das Ganze hier so groß aufgezogen hat, weil es doch ein historisch bedeutsamer Ort ist. Früher waren die Angebote von einem Verein hier aus der Gegend – was auch sehr toll ist, aber pädagogisch einfach nicht so professionell. Jetzt kann man auch mit Schulklassen kommen und an Workshops teilnehmen. Das gab es früher nicht. Fast schon ein bisschen skandalös dafür, dass das hier so eine tolle Ausgrabung ist – und auch keine unbedeutende“, sagt Lucia Kaffka. Die Landsbergerin unterrichtet Geschichte am Gymnasium Königsbrunn und hat vor, mit ihren 6. Klassen zu kommen.
Freundin, Kollegin und ebenfalls Geschichtslehrerin Veronika Lorenz hält vor allem die Replikate für interessant. Für die Bobingerin sei das Steinzeitdorf außerdem der perfekte Ort, um ihren Schülerinnen und Schülern die Vergangenheit nicht nur in einem Schulbuch, sondern real zu zeigen. „Wo sie auch mal in ein Gebäude hineingehen können, die Dimensionen in den richtigen Verhältnissen sehen und vielleicht selbst mal mit einem Feuersteinmesser etwas schneiden.“
Angenehmes Raumklima in der Steinzeithütte in Pestenacker
Ein solches Messer ging ab 15 Uhr auch im neuen Steinzeithaus durch die Runde. Nebenbei durfte der Geschichte über den jungen Steinzeitjäger Dilgo gelauscht werden. Es ist erstaunlich, wie angenehm kühl die Hütte bei sommerlichen 30 Grad ist. Letztes Jahr musste das Sommerfest wegen des Wetters noch abgesagt werden. Ziemlich traurig, wenn man bedenkt, dass das Projekt 2020 erst wegen Corona und dann aufgrund etlicher Auflagen im Jahr 2021 weiterhin nicht stattfinden konnte. Dieses Jahr stellt sich Lejla Hasukić lieber in den Schatten. Die Archäologin und Leiterin des Steinzeitdorfs hofft, dass heuer „umso mehr Leute kommen und wahrnehmen, was hier geboten wird – sie vor allem die Steinzeit kennenlernen und einfach erfahren, was wir hier daheim, in unserer Region haben“. Schließlich sei hier jede Woche etwas geboten: Schulklassen kommen vorbei, es gebe Ferienprogramme und immer wieder große Events. Am Tag des offenen Denkmals seien vergangenes Jahr 550 bis 600 Menschen hier gewesen. „Das war das Maximum, das dieses Gelände tatsächlich schafft“, so die 37-Jährige. Der Eintritt war und ist wie immer frei.
Der neue Lehmofen wird im Steinzeitdorf Pestenacker eingeweiht
Der Lehmofen ist diese Saison das erste Mal in Betrieb. Sein Vorgänger ist letztes Jahr kaputtgegangen. Im Rahmen der Ehrenamtstage trafen sich aus diesem Grund Menschen mit und ohne Behinderung. Aus Weidenruten wurde von ihnen ein Grundgeflecht gebaut. Für die Ummantelung des Flechtwerks wurde Lößlehm, gehäckseltes Stroh, Sand und Wasser vermischt sowie gestampft. Der neue Ofen hat einen u-förmigen Grundriss, eine Größe von etwa 150 mal 100 cm und hat nun ein erhöhtes Fundament, um den Schaulustigen einen besseren Einblick geben zu können.
Drei Mitglieder der Arche Landsberg e. V. sehen stolz dabei zu, wie sich „ihr“ Ofen im Einsatz macht und die Teiglinge immer fester werden. An dieser Stelle: einmal das Steinzeit-Rezept. Man nehme Vollkornmehl, Leinöl und Salz. Anstelle von Hefe wird Himbeerwasser verwendet. Dabei wird eine Handvoll Himbeeren mit zwei, drei Esslöffel Honig und Wasser vier Tage angesetzt. Dann gärt es. „Schmeckt fast so wie normales Brot“, ruft ein junger Besucher. Und falls nicht, verkauft der FC Weil Kaffee, Kuchen und Bratwurstsemmeln.
Doch was genau haben Menschen vor 5000 Jahren gegessen und welche Pflanzen haben sie gekannt? Dies verraten etwas andere „Konserven“. Genauer: Brandschutt. Drei Jahre nachdem das Dorf fertig war, sei es laut Steinzeitgärtner Karl Dirscherl nämlich abgebrannt. In den Überresten können mit dem bloßen Auge verkohlte Getreidekörner entdeckt werden. Auf diese Weise seien sie konserviert worden. Auch an so mancher Keramik fand man Speisereste, wie Linsen oder Leinsamen. Hobby-Archäologinnen und -Archäologen haben in der Scherbenwerkstatt nebenan die Möglichkeit, diese Funde zusammen zu puzzeln und zu restaurieren. In den Gesichtern wird hier noch einmal deutlich: Scherben bringen definitiv Glück.
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