Hanf am Ammersee? Da stutzt so mancher Autofahrer, wenn er das Feld zwischen Schondorf und Greifenberg passiert. Auf zwei Hektar hat Uli Ernst, Landwirt und Labyrinth-Betreiber aus Utting, dort erstmals Hanf außerhalb seines Versuchsfelds im Labyrinth angebaut. Das hat natürlich einen Grund.
Ernst will künftig Hanföl in Direktvermarktung anbieten. Sonnenblumenöl gibt es bereits. Beide Öle werden in Bio-Qualität hergestellt und können im Eierhäusl an der Straße zwischen Utting und Schondorf gekauft werden, so Uli Ernst. Früher gehörte Hanf zu den wertvollsten Kulturpflanzen, so wurden beispielsweise Papier, Kleidung und Segeltuch daraus hergestellt. Jedoch wurde der Hanf aufwendig von Hand geerntet und gebrochen, während Baumwolle schon früh maschinell geerntet und industriell verarbeitet wurde. Auf dem Papiermarkt verdrängte Holz den Hanf, und durch die zunehmende Vormachtstellung der Pharmaunternehmen verlor Hanf auch seinen Einsatz als Medikament zugunsten synthetisch hergestellter Präparate. Da aus THC-reichem Hanf auch Haschisch oder Marihuana hergestellt werden können, gilt dieser auch als Rohstofflieferant für Drogen und verschwand zunehmend von den Äckern.
Nahrungsergänzung für Veganer oder Vegetarier
Warum Uli Ernst nun den Hanfanbau wieder für seine Landwirtschaft entdeckt hat, ist dem Trend zu „Superfood“ geschuldet: Hanf ist reich an ungesättigten Fettsäuren, Vitaminen und Mineralien und gilt gerade bei Veganern oder Vegetariern als ideale Ergänzung zu ihrer Ernährung. Bei Familie Ernst kommen die Körner, leicht angeröstet und vermischt mit Sonnenblumen-, Pinien- Cashew- und Kürbiskernen, auf den Salat.
2001 startete Uli Ernst den ersten Versuch mit dem Hanfanbau auf dem Labyrinthgelände. Die Pflanze hat ihn inzwischen überzeugt: „Kaum eine Pflanze ist so vielseitig wie Hanf“, sagt er. Die Zuchtrichtungen gingen auf Körner, Fasern oder Mark. Auf seinem Acker wächst eine kombinierte Sorte mit dem Ziel der Ölernte. Warum Hanf nicht auch auf anderen Äckern eine Renaissance erlebt, obwohl zunehmend Märkte für den Rohstoff bestehen, so als Dämmstoff oder in der Autoindustrie, erklärt Ernst mit dem bürokratischen Aufwand.
Hanf kann gut mit Trockenheit umgehen
Anträge sind zu stellen, sowohl Saatgut als auch die angebauten Pflanzen werden kontrolliert, mittels Stichproben wird getestet, ob der THC-Gehalt tatsächlich unter dem vorgeschriebenen Grenzwert bleibt. Ideal sei, so Ernst, dass der Hanf mit Trockenheit gut umgehen kann – jedoch nicht, wenn sie so früh einsetzt wie heuer. Da hat der Hanf seine Pfahlwurzel noch nicht ausreichend ausgebildet und leidet wie andere Pflanzen auch unter dem Wassermangel. Jedoch habe er sich gut erholt, so Ernst. Weiterer Vorteil dieser Pflanze ist das schnelle Wachstum und die enorme Höhe – bis zu vier Meter können die auf Faserernte gezüchteten Sorten erreichen. So wächst der Hanf dem Unkraut einfach davon.
Bald ist es so weit mit der ersten Hanfernte: Uli Ernst kontrolliert bereits täglich den Reifegrad der Körner. Die Ernte wird dann zur Naturland zertifizierten Ölmühle Oberschwaben transportiert, die daraus Öl herstellt.
Ein Pionier in der Region
Nicht zu Unrecht gilt der Landwirt aus Utting als Pionier in der Region: Neben dem Hanf- hat er sich auch vor einiger Zeit an den Weinanbau gewagt – und durch den Hagel an Pfingsten 2019 starke Schäden hinnehmen müssen. Rund 150 Arbeitsstunden wurden auf das Herunterschneiden der Weinranken verwendet, und der Wein wurde wieder hochgepäppelt. „Nun ist er wieder auf der Höhe wie vor dem Hagel“, erzählt Uli Ernst und freut sich auf die erste Testernte. 2021 werde es dann eine „echte“ Ernte geben.
Ernst hat bereits eine Kooperation mit Winzern aus Rheinhessen auf die Beine gestellt, Nachwuchsstars ihres Fachs, die zu den besten Absolventen der Weinfachschule gehören. Diese werden den Wein dann ausbauen. „Das ist die zweite Hälfte auf dem Weg zu einem guten Wein. Die erste Hälfte leisten wir mit der sehr guten Qualität unserer Trauben“, freut sich Uli Ernst.
Lesen Sie dazu auch: