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Serie: Demnächst Brillenträger?

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Demnächst Brillenträger?

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    Auch mit Schießbrille: Alles nicht so einfach.
    Auch mit Schießbrille: Alles nicht so einfach.

    Eigentlich ist es Aufgabe der Sportredakteure, über Sportarten zu berichten – und zwar als Beobachter. Doch in dieser Serie wollen wir den Blickwinkel einmal ändern – und berichten als „blutiger Anfänger“. Dabei stellt sich immer wieder heraus: Nichts ist so einfach, wie es aussieht.LT-Redakteur Dominic Wimmer ging bei der FSG Dießen an den Stand.

    Dießen Der Tag endet mit der Erkenntnis, demnächst zum Optiker zu gehen und vielleicht bald Brillenträger zu sein. Denn irgendwie hat das dunkle Innere der Schützenscheibe in 50 Metern Entfernung eine Dimension wie eine Fliege auf einer großen Hauswand. Die soll ich treffen? Noch dazu zittert meine Hand schon wie Espenlaub, als ich das Kleinkalibergewehr von Eva Stainer zum ersten Mal in der Hand halte und die Scheibe anvisiere.

    Eigentlich kann ja heute nichts schiefgehen. Mir stehen die besten Trainer zur Seite, die es im Landkreis gibt. Lissi Stainer von der FSG Dießen – seit 20 Jahren Stützpunkttrainerin und 1991 Weltmeisterin mit der Armbrust – und Michael Janker. Frisch gebackener Junioren-Europameister mit der deutschen Mannschaft und mehrfacher deutscher Juniorenmeister. Seine Paradedisziplin: Dreistellungskampf. Und darin werde ich mich jetzt versuchen.

    Die Übungseinheit beginnt zunächst mit einer Sicherheitsunterweisung von Lissi Stainer. Denn für die Sportschützen gelten strenge Sicherheitsbestimmungen. Unter anderem darf die Waffe erst am Stand ausgepackt werden, muss ansonsten verschlossen transportiert und darf nie im geladenen Zustand übergeben werden, der Finger darf erst beim Blick auf die Scheibe an den Abzug.

    Dann geht es ans Einkleiden. Die Ausrüstung – eine Hose mit Reißverschlüssen auf der Hinterseite der Beine und eine enge Lederjacke – sorgt für so wenig Bewegungsspielraum wie möglich. Sie lastet ziemlich schwer – nicht gewichtsmäßig, sondern ideell. Es ist die persönliche Ausrüstung von Michael Janker, mit der er seine Wettkämpfe bestreitet. Ich denke mir still und heimlich: „Hoffentlich bringt ihm das kein Unglück beim nächsten Wettkampf, wenn ich sie jetzt trage.“ Die erste Disziplin ist Liegendschießen. Lissi und Michael befestigen einen Gurt an meinem Oberarm. Er führt unter dem Arm herum, wird mit dem Gewehr verbunden und sorgt für Stabilität. Allerdings ist diese Stabilität Gift für mein Handgelenk und die Schulter. Schon nach einer Minute fühle ich mich wie in einem Schraubstock. „Denk dir nichts – uns fällt nach 30 Schuss auch die Schulter ab. Der Onkel Doktor würde sagen: ’wird schon wieder’“, lacht Michael und legt mir die erste Patrone in den Lauf.

    Mein Puls steigt nach oben, die innere Unruhe steigt. Treffe ich die 50 Meter entfernte Scheibe überhaupt? „Ganz ruhig“, sagt Lissi, „konzentrier’ dich, atme aus, und dann solltest du von unten auf die Scheibe kommen.“ Leichter gesagt als getan. Die Scheibe wandert in meinem Ringkorn hin und her wie eine Tontaube auf der Flucht. Peng! Der Rückstoß erschreckt mich ein wenig. „Zuck nicht gleich zurück“, rät Lissi, und Michael gibt mir den Tipp: „Je länger du die Luft anhältst, desto nervöser wirst du. Zwischen Luft anhalten und Zielen sollten maximal sieben Sekunden liegen.“ Unter Wettkampfbedingungen hätte ich für 40 Schuss 45 Minuten Zeit. Ich schaffe innerhalb dieser Zeit gerade einmal 15. Davon treffen 14 die Scheibe, zwei von ihnen landen ringmäßig im Neunerbereich.

    Jetzt heißt es im Stehen Schießen – die schwierigste Disziplin. Der Gewehrlauf wackelt hin und her wie ein Kuhschwanz. 50 Prozent meiner Schüsse gehen auf die Scheibe, wie durch ein Wunder einer auf die Neun, einer auf die Acht. Die restlichen fünf Kugeln landen irgendwo im Hügel ganz hinten am Schießstand. Letzte Disziplin im Dreistellungskampf: kniend. Dazu gibt es eine mit Sand gefüllte Rolle unter das Bein, auf dem ich knie. Und mittlerweile sind etwas mehr Sicherheit und Selbstvertrauen da – dank eines ruhigeren Pulses und der aufmunternden Worte des Europameisters: „Du machst echt eine gute Schützenfigur, Hut ab.“ Alle Schüsse gehen auf die Scheibe, zwei davon sind Neuner. Der Blick auf meine Scheiben sagt mir: Anfängerglück – im richtigen Moment abgedrückt, und umso mehr steigt der Respekt vor den Sportschützen, die unter Wettkampfbedingungen Leistungsdruck unterliegen und dabei auch noch volle Konzentration und eine ruhige Hand brauchen.

    Am Ende geht es in lockerer Freizeitkluft nach oben in die Halle. Dort wartet Steffi Böhm auf mich. Die Luftpistolenschützin geht für Peiting in der zweithöchsten deutschen Liga an den Start und ist jetzt bei der Luftpistole meine Trainerin. Bei mir ist aber die Luft raus nach zwei Stunden Training. Die nervliche Anspannung hat Spuren hinterlassen. Es fällt mir schon schwer, die Luftpistole in Stellung zu bringen und kontrolliert zu zielen. Mit zitternder Hand bringe ich die Diabolos auf die Scheibe – sie verfehlen den schwarzen Bereich. Das Resultat gleicht dem des letztjährigen Oktoberfestbesuchs mit abschließendem Halt an der Schießbude. Steffi nimmt ein paar Veränderungen an Kimme und Korn vor, und jetzt kommt der psychologische Faktor ins Spiel. Meine Trainer spannen eine neue Scheibe ein. Ich nehme mir vor, noch fünf Schüsse abzugeben. Alle nähern sich konsequent der Mitte. Auf zwei Achter folgt doch glatt die Zehn. Lissi Stainer sagt: „Mit dem Zehner musst du aufhören – ein perfektes Ende.“

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