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Scheuring: Scheuringer fährt mit dem Rad durch den Iran und ans Nordkap

Scheuring

Scheuringer fährt mit dem Rad durch den Iran und ans Nordkap

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    Johannes Kneidel aus Scheuring macht im Urlaub extreme Radtouren, die ihm auch extreme Erlebnisse bescheren.
    Johannes Kneidel aus Scheuring macht im Urlaub extreme Radtouren, die ihm auch extreme Erlebnisse bescheren. Foto: Kneidel

    Wenn Johannes Kneidel von Scheuring aus zu seinen Radtouren startet, sieht man nicht, dass er wochen-, sogar monatelang unterwegs sein wird. Nur kleine Packtaschen an seinem Rennrad wirken etwas ungewöhnlich. Mehr, als da reinpasst, braucht der 26-jährige Student auch nicht, und genau dieses Spartanische macht seine Fahrten so ungewöhnlich – wie auch die Ziele, die er sich aussucht.

    Durch seinen Vater hatte Johannes Kneidel schon als Kind den Spaß am Rennradfahren entdeckt. Seit ein paar Jahren treibt er die Fahrten aber auf die Spitze: Unter 2000 Kilometer ist er selten unterwegs. Dabei geht es dem Studenten der Elektrotechnik gar nicht um irgendwelche Rekorde: „Ich habe entdeckt, dass es eine günstige Art ist, Urlaub zu machen, bei dem man noch viel erlebt und auch die Menschen in den Ländern kennenlernen kann.“

    Aktuell macht der Scheuringer seinen Master

    Erst vor Kurzem ist Kneidel von seiner jüngsten und vielleicht auch letzten ganz großen Fahrt zurückgekehrt – vom Nordkap. „Aber meine Studentenzeit geht langsam zu Ende, ich schreibe gerade an meiner Masterarbeit“, erzählt er. Und bald wird er ins Berufsleben wechseln, „da wären die vier Wochen Urlaub ja der ganze Jahresurlaub“.

    So lange ist er nämlich unterwegs – mindestens. Bei seiner wohl extremsten Fahrt bis nach Teheran 2015 waren es sogar 58 Tage, in denen er auf rund 9600 Kilometern auch so manch brenzliges Erlebnis hatte. „Kurz vor der Fahrt ist mein Handy kaputtgegangen“, erzählt er – also war er ohne Handy unterwegs. Im Gepäck hatte er dafür aber die entsprechenden Landkarten, denn „mit dem Papier können die meisten Menschen mehr anfangen, wenn man sie nach dem Weg fragt“.

    Johannes Kneidel ist mit leichtem Gepäck unterwegs – bei seiner Tour nach Teheran hatte er alles in Müllsäcke verpackt.
    Johannes Kneidel ist mit leichtem Gepäck unterwegs – bei seiner Tour nach Teheran hatte er alles in Müllsäcke verpackt. Foto: Kneidel

    Ansonsten hält er sich nicht mit Schnickschnack auf: Radlerhose und -trikot, noch eine Windjacke, ein paar Socken, eine Unterhose und natürlich Isomatte und Schlafsack. „Wenn ich nach Süden fahre, nehme ich auch kein Zelt mit. Wenn es wirklich regnet, dann schlafe ich eben unter einer Brücke, auch wenn das komisch klingt“, sagt er mit einem Schmunzeln.

    So machte er sich auch auf den Weg nach Teheran. Unterwegs fragte er einfach Passanten, ob sie ihn kurz mit ihrem Handy seine Mutter anrufen lassen würden, „und da haben mir alle gleich geholfen“. Das gehört zu den Momenten, die ein „normaler“ Tourist nie erleben würde.

    Johannes Kneidel wird nachts überfallen

    Allerdings gehörte dazu auch, dass er beinahe ausgeraubt wurde: „Mitten in der Nacht kam ein Mann auf einem Mofa, er hatte gesehen, wo ich mein Lager aufgeschlagen hatte“, erzählt Johannes Kneidel. Zum Glück kam zum selben Zeitpunkt ein Auto aus einem Feldweg – die Insassen hatten ihm geholfen und den Räuber verjagt. Hilfsbereitschaft hatte er auch bei einer Panne in Ostanatolien erlebt: „Ich hatte keine Fahrradschläuche mehr“, erzählt er. Ein Mann, der Essen ausfuhr, hielt an. „Mit ihm bin ich erst stundenlang seine Runde mitgefahren, als er das Essen auslieferte, dann haben wir jeden möglichen Fahrradladen abgeklappert, bis ich die richtigen Schläuche hatte.“

    Die Sittenpolizei schreitet ein

    Diese Hilfsbereitschaft und Offenheit der Menschen hat ihn beeindruckt. „Im Iran haben teilweise Autos angehalten und die Fahrer wollten mit mir reden, wo ich herkomme und hinwill, dann haben sie mir Wassermelonen oder Wasser geschenkt.“ Aber er machte in Teheran auch eine Erfahrung mit der Sittenpolizei: Er schob sein Rad in der kurzen Radlerhose durch einen Markt – und wurde prompt angehalten. „Die Polizei hat mein Gepäck durchwühlt und als sie gesehen hat, dass ich keine lange Hose dabei hatte, wurde ich eindringlich gebeten, weiterzufahren“, erzählt er mit einem Schmunzeln.

    Allerdings hätte diese Fahrt für den damals 20-Jährigen auch böse enden können. Er wollte, da er den Hinweg entlang der Küste des Schwarzen Meers genommen hatte, über die südliche Türkei zurück. Zu diesem Zeitpunkt schwelte aber bereits der Konflikt zwischen PKK und

    Am Nordkap angekommen: Der Scheuringer gewinnt mit dieser Tour auch das Stadtradeln.
    Am Nordkap angekommen: Der Scheuringer gewinnt mit dieser Tour auch das Stadtradeln. Foto: Kneidel

    Im Nachhinein räumt Johannes Kneidel ein, bei dieser Fahrt etwas naiv, ja unvorsichtig agiert zu haben, „aber ich war gerade mal 20 Jahre alt“.

    Inzwischen sind alle Fahrten besser geplant, wobei sich alles eben nicht berücksichtigen lässt: Eigentlich wollte er schon im vergangenen Jahr und auch heuer mit dem Rad zur Eröffnung der Olympischen Spiele nach Tokio fahren – Corona machte ihm da einen Strich durch die Rechnung. „Ich hatte schon alles organisiert, mich von der Uni beurlauben lassen und meinen Werksstudentenjob gekündigt“, erzählt er – doch es war nicht möglich.

    Fahrt nach Tokio kommt nicht zustande

    Und so entschied er sich für eine Fahrt ans Nordkap. Im vergangenen Jahr musste er wegen eines Muskelfaserrisses abbrechen, aber heuer gelang es: In 21 Tagen legte er 3830 Kilometer zurück. „Ich fahre nicht schnell, aber lange“, erklärt er seine Taktik: Mit etwa 22 Stundenkilometern sei er unterwegs – dann aber zehn Stunden täglich. „An einem Supermarkt halte ich dann einfach für die Mahlzeiten an.“

    Diese Fahrt in den Norden bot ihm ganz neue Erfahrungen: „In Schweden beispielsweise hat mich nicht ein einziger Mensch angesprochen, da merkt man, dass alle doch etwas nordisch reserviert sind.“ Und das Nordkap selbst sei auch nicht so spektakulär gewesen, wie erhofft, dafür entschädigten ihn zwei traumhafte Ruhetage in Finnland – er musste auf seine Einreiseerlaubnis für Norwegen warten. „Es waren zwei herrliche Tage am Strand, mit 30 Grad Luft- und 22 Grad Wassertemperatur, denn es war der heißeste Sommer seit 100 Jahren.“

    Und diese Fahrt brachte ihm auch den Sieg beim diesjährigen Stadtradeln: Rund 2900 Kilometer hatte er im vorgeschriebenen Zeitraum zurückgelegt.

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