Gasbohrung Reichling: "Es geht um unsere Heimat"
Gegen die Gas-Erkundungsbohrung in Reichling können die Gemeinde und Bürger nichts mehr erreichen, allerdings könnten sie die anschließende Förderung stoppen.
Das Pfarrheim in Reichling ist am Freitagabend voll: Über hundert Bürgerinnen und Bürger sind der Einladung der Bürgerinitiative zu einer Gesprächsrunde zum Thema Gasbohrung gefolgt. Eingeladen hatte die Bürgerinitiative unter anderem Bernd Ebeling, einen Experten für Umwelt, Abwasser und auch Erdgas-Bohrungen. Zudem waren auch Vertreter von Greenpeace Bayern und dem Bund Naturschutz Bayern anwesend. Das Stimmungsbild bei den Anwesenden: Wir wollen die Erdgas-Bohrung auf keinen Fall.
Referent zu Erdgas-Bohrung Reichling: „Es kann immer etwas passieren.“
Ebeling ist Bauingenieur für Wasserwirtschaft und Kulturtechnik und setzt sich bereits seit Jahrzehnten mit dem Thema Gasbohrungen auseinander. „Ich kenne 100te Anlagen, habe Umweltskandale aufgedeckt“, beginnt er seinen Vortrag. Allerdings wolle er auch gleich vorwegschicken, dass die Probleme, die er mit der Erdgasförderung in Niedersachsen oder etwa den Niederlanden kennt, in der Region Lech-Ammersee keine seien. Quecksilber etwa, käme hier kaum bis gar nicht vor. Und auch Erdbeben seien nicht zu erwarten. „Extrem-Beispiele“ seien Groningen und Salzwedel, aber er wolle nicht zitiert werden, dass es genau so passiert.
Mögliche Auswirkungen seien generell Bodensenkungen und -hebungen, Erdgasbeben, die Freisetzung von gefährlichen Stoffen wie Schwermetalle, Benzol, Radium 226 oder Radon 222. Allerdings seien die Standards mittlerweile gestiegen, die Anforderungen höher. Auf die Frage, ob Landwirte sich nun Sorgen machen müssen, ihre Tiere und ihr Getreide nicht mehr wirtschaftlich nutzen zu können, hob Ebeling beruhigend die Hand. „Bisher kenne ich nur einen Fall, bei dem ein Landwirt seinen Vertrag verloren hat. Da ist Benzol über PE-Rohr in die Erde gelangt. Das befürchte ich hier nicht.“ Gefahrenwasser werde in Betonbehältern aufgefangen und gemessen, erst dann könne entschieden werden, ob es abtransportiert oder zurück gepresst werden könne. Das Trinkwasser sei in der Tiefe nicht in Gefahr: „Ich kann darunter meinen Haken machen, wenn alle Vorgaben erfüllt werden, ist das die sicherste und beste Lösung.“ Allerdings könne immer etwas passieren und klimaschonend sei das Projekt nicht.
Gegen eine Erkundungsbohrung bei Kinsau 1 einzulenken, sei nicht mehr möglich. Die Zulassung wurde der Genexco diese Woche erteilt. Allerdings müsse die Firma für die weitere Förderung auch immer wieder Genehmigungen bekommen und Grundstückbesitzer einbinden, da sie eine Pipeline verlegen müssten. „Als Grundstücksbesitzer kann man sich dagegen schließen.“
Geothermie nach einer Bohrung ist kein festes Versprechen
Kasimir Buhr vom Bund Naturschutz Bayern ging auch auf die Geothermie ein. „Es wird immer so dargestellt, als gäbe es eine ganz enge Bindung und es ist ein attraktives Versprechen, dass man saubere und günstige Wärme bekommt.“ Allerdings seien keine konkreten oder nur widersprüchliche Pläne dazu vorhanden, wie Geothermie in Reichling eingesetzt werden könnte. „Was ich hinterfrage, ist auch, ob sich ein solches Wärmenetz lohnt, da Reichling recht klein ist und das Netz teuer und wenn es doch so toll ist, wieso macht man es nicht einfach so?“
Bürgermeister in Rott bezieht Stellung bei der Veranstaltung
In der Frage- und Diskussionsrunde ging es am Ende unter anderem immer wieder um die Tatsache, dass Reichling und umliegende Gemeinden nicht gegen eine Erdgas-Bohrung positioniert hatten. Dabei bekommen die Gemeinden kein Geld zu sehen, der Gewinn geht an die Firmen und Investoren, Gewerbesteuer würde auch da abgegeben, wo der Sitz der Firma ist. Und weil Bayern keine Abgabe erhebt, wenn etwa Erdgas gefördert wird, profitiere auch der Freistaat finanziell von einer solchen Bohrung nicht, sagte Greenpeacevertreterin Saskia Reinbeck.
Zu der Veranstaltung war unter anderem auch Fritz Schneider gekommen, der Bürgermeister der Nachbargemeinde Rott: „Ich denke alle der Verwaltungsgemeinde mussten abwägen, ob sie ein Veto einlegen möchten.“ Allerdings habe es keinen triftigen Grund gegeben, der das Veto noch mal unterstreiche. Vetoschreiben, in denen eine Gemeinde nur sage, dass man die Gasbohrung prinzipiell nicht wolle, seien weniger wirkungsvoll. Deshalb habe man sich dagegen entschieden. Ein Mann im Publikum sagte dazu, dass es zwar vielleicht als Zettel nicht viel wert sei, aber es psychologisch und politisch doch eine ganz andere Wirkung habe, wenn Gemeinden sich offiziell dagegenstellen und man gemeinsam schaut, was man gegen eine Bohrung tun könne.
Stellvertretende Landrätin Horner-Spindler unterschreibt die Liste ebenfalls
Eine Frau sagte zudem, dass sie es nicht verstehen könne, dass Einheimische unterstützen könnten, die schöne Landschaft zu verschmutzen, ob durch Bohrplatz oder den zusätzlichen Verkehr. Franz Osterrieder von der Bürgerinitiative sagte dazu: „Wir wissen auch nicht alle. Der Landwirt hatte schon 1983 den Schaden, als das Rohr bei der ersten Bohrung gesetzt wurde. Als Bürgerinitiative sind wir nicht hingegangen und haben ihn gefragt, was er sich dabei gedacht hat, da zu verkaufen oder zu verpachten.“ Umso wichtiger sei es aber nun, dass Gemeinde und weitere Grundstücksbesitzer einschreiten, wenn es um den Gastransport gehe.
Als die Frage gestellt wurde, wer im Raum gar keine Bohrung in der Gemeinde möchte, hoben alle Anwesenden die Hand. Osterrieder bat, dass jeder, der die Bohrung nicht wolle, auf einer Liste unterschreibe, um sich damit schließlich an die Politik wenden zu können und zu zeigen, dass die Mehrheit gegen das Projekt ist. Auf der Liste trug sich an dem Abend auch ehemalige Bürgermeisterin und stellvertretende Landrätin Margit Horner-Spindler ein. „Ich bin heute als Reichlingerin da“, sagte sie nach der Veranstaltung in einem Gespräch. Auch, wenn es offiziell kein Infoabend war, sei sie dankbar, dass die Bürgerinitiative die Veranstaltung organisiert habe. Jetzt habe man endlich ein Stimmungsbild, dass es ganz dringend brauche, um auch in der Politik etwas zu erreichen. „Man ist jetzt schlauer als in den 80er-Jahren, wir wissen, was passieren kann. Es geht um unsere Heimat.“
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