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Landsberg: Vortrag in Landsberg: Ist ADHS eine Krankheit oder Modediagnose?

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Vortrag in Landsberg: Ist ADHS eine Krankheit oder Modediagnose?

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    Ein Vortrag im Landsberger Landratsamt beschäftigte sich mit dem Thema ADHS.
    Ein Vortrag im Landsberger Landratsamt beschäftigte sich mit dem Thema ADHS. Foto: Julian Stratenschulte/dpa (Symbolbild)

    Drei bis fünf Prozent der Kinder und 3,5 bis fünf Prozent der Erwachsenen in Deutschland leiden an ADHS oder ADS. ADHS ist damit die häufigste Störung im Kindesalter. Da sich die Krankheit nicht verwächst, zeigen über 60 Prozent der Erwachsenen, die als Kind davon betroffen waren, noch Symptome. Mit ihrem Vortrag „ADHS in Familien – Modediagnose oder erst zu nehmendes Krankheitsbild?“ räumte Dr. Astrid Neuy-Lebkowicz mit ihrem hybriden Vortrag im Sitzungssaal des Landratsamts mit falschen Vorstellungen auf und gab in der nachfolgenden Fragerunde Eltern und Betroffenen viele Tipps mit auf den Weg.

    „ADHS verwächst sich nicht“, sagte die Fachärztin und Mutter von fünf Kindern, von denen drei die Diagnose ADHS haben. Aus dem Zappelphilipp wird also nicht später einmal ein gut organisierter und strukturierter junger Mann, der sich erfolgreich im Beruf behauptet. Und aus der empfindlichen, ängstlichen Träumerliese keine junge Mutter, die ihre Familie mühelos durch alle Höhen und Tiefen des Alltags navigiert. Ganz im Gegenteil: Wird die Krankheit nicht behandelt, und dies gelingt nur medikamentös, sagte Neuy-Lebkowicz, so verstärken sich die negativen Kreisläufe später und ziehen zahlreiche Begleiterkrankungen wie Sucht, Depression oder Persönlichkeitsstörungen mit sich, aber auch Jobverlust und ungesunde Lebensgewohnheiten.

    Mangelndes Selbstwertgefühl bildet sich heraus durch häufiges Scheitern und Misserfolge. So bleiben Menschen mit unbehandelter ADHS oft weit hinter ihren Möglichkeiten zurück, haben weniger beruflichen Erfolg, landen nicht selten in der Arbeitslosigkeit und ihre Beziehungen zu anderen Menschen sind oft belastet. Sogar eine höhere Sterblichkeit ist wissenschaftlich nachgewiesen. ADHS kostet die Betroffenen im Durchschnitt 12,7 Jahre ihres Lebens. Gründe dafür gibt es viele, so ist das Risikoverhalten stärker ausgeprägt, was zu vermehrten Unfällen führt. Auch die Suizidrate ist höher. „Das Sterblichkeitsrisiko ist im Kindesalter verdoppelt, im Erwachsenenalter vervierfacht“, sagte die Fachärztin.

    „Es gibt viel zu wenig Ärzte, die sich damit auseinandersetzen“

    ADHS ist eine neurobiologische Störung, ist erblich und tritt familiär gehäuft auf. Sprich: Oft ist nicht nur eines oder mehrere der Kinder betroffen, sondern auch ein Elternteil, was zu vermehrtem Stress in der Familie führt. „Es handelt sich um ein gut definiertes Krankheitsbild, aber es gibt viel zu wenig Ärzte, die sich damit auseinandersetzen“, sagte Neuy-Lebkowicz und sprach gar von einer „völligen Unterversorgung“, gerade bei Erwachsenen. Für diese gelte: Zuerst die Diagnostik, dann eine medikamentöse Behandlung und erst danach sei eventuell eine Therapie wie Psychotherapie sinnvoll. Als typische Merkmale bei Erwachsenen nannte sie das Scheitern an Kleinigkeiten, mangelndes Zeitmanagement, „Aufschieberitis“, Vergesslichkeit und Entscheidungsschwäche. Derzeit seien nur 0,2 Prozent der betroffenen Erwachsenen behandelt, so die Ärztin.

    Die zahlreichen Schilderungen aus der Zuhörerschaft im voll besetzten Sitzungssaal ließen erkennen, dass es zahlreiche Reibungspunkte zwischen Schule, Eltern und Ärzten gibt. Auch die Diagnostik scheint hinterherzuhinken, die Wartenzeiten sind lang, oft weichen Familien auf Nachbarlandkreise aus. Rat und Informationen gab es bei der Veranstaltung auch von zahlreichen Fachbereichen wie die Koki-Stelle für psychisch belastete Familien, die SOS-Beratungsstelle und Frühförderung oder dem KBO Heckscher Klinikum.

    Betroffenenzahlen für den Landkreis Landsberg liegen derzeit nicht vor. Constanze Kastenhuber vom Gesundheitsamt sagte auf Nachfrage unserer Redaktion, dass „ADHS/ADS“ ein großes Thema sei, und man davon ausgehe, dass die Zahlen den deutschlandweiten entsprächen. Karin Schürmann von der SOS-Beratungsstelle spricht von 565 Fällen in den vergangenen elf Jahren. Das wären durchschnittlich 51 Fälle, in denen jährlich bei Verhaltens- und Konzentrationsproblemen beraten werde.

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