Jennifer Wiedemann und Jonas Wilharm sind 20 Kilometer voneinander entfernt aufgewachsen. Kennengelernt hat sich das Paar – sie stammt aus Klosterlechfeld, er aus dem Landsberger Ortsteil Reisch – aber im hohen Norden Deutschlands wegen ihrer gemeinsamen Leidenschaft, dem Segeln. Am 3. September brechen sie in Bremerhaven zur Weltumseglung auf, weil Wilharms Großeltern dort leben. Drei Jahre haben sie für ihre Reise eingeplant. Mit unserer Redaktion haben sie über die lange Vorbereitungszeit, Vorfreude, Herausforderungen und Traumziele gesprochen und warum ihre bisherigen Jobs ihn dabei zugutekommen könnten.
Die beiden sind seit vier Jahren zusammen. Kennengelernt haben sie sich beim Projekt „Klassenzimmer unter Segeln“, bei dem ausgewählte Schüler sechs Monate unterwegs sind, die sie betreuten. Zweimal haben die beiden in dem Rahmen bereits den Atlantik überquert. Der Verein, der das Angebot organisiert und aus dem sich die Mannschaft rekrutiert, hat 500 Mitglieder. Die heute 29-jährige Jennifer Wiedemann durfte als Zehntklässlerin schon einmal mitfahren. Was sie nachhaltig geprägt hat.
Sie beschloss danach, Nautik zu studieren, und war in den vergangenen Jahren als 1. Nautischer Offizier mit Gastankern auf den Weltmeeren unterwegs. „Die sind natürlich viel größer und liegen deswegen ruhiger im Wasser als die Lucky Johnny.“ So heißt ihr Boot. „Wir haben den Traum von der Weltumsegelung beide schon lange und in der Corona-Pandemie begonnen, nach einem geeigneten Schiff zu suchen. In Italien sind wir dann im Juni 2021 fündig geworden“, sagt sie. Das Boot gehörte zuvor einem Münchner Ehepaar. Konzipiert ist es vom Hersteller als Langfahrt-Regatta-Jacht.
Weil die Lucky Jonny bereits 36 Jahre auf dem Buckel hat, gab es für die beiden, die inzwischen in Kiel leben, einiges zu tun. „Gefühlt habe ich das Schiff einmal zerlegt und wieder zusammengesetzt. Ich kenne jede Ecke und mögliche Schwachstellen“, sagt Jonas Wilharm, der als Grundschüler über ein Ferienangebot auf dem Ammersee zum Segeln kam, sein Vater kaufte später eine Jolle. Er ist von Beruf Techniker in der Fachrichtung Elektrotechnik und arbeitet im Service für Windkraftanlagen auf dem Meer. Das Schiff hat er unter anderem mit neuer Navigationsausrüstung, einem hochseetauglichen Autopiloten und moderner Kommunikationstechnik ausgestattet. Um ein autarkes Leben zu gewährleisten, wurden zudem Solarpanels und ein Windgenerator verbaut, um jederzeit Strom erzeugen zu können. Auch Rumpf, Deck und Innenbereich haben die beiden erneuert. Mehrere Monate, teils in Vollzeit, dauerten die Arbeiten.
Paar aus der Region Landsberg hat bis zur Karibik Freunde an Bord
„Irgendwie kommt man von einem zum anderen, was man noch machen und brauchen könnte“, sagt die 29-Jährige und schmunzelt. Die Lucky Johnny ist fast zwölf Meter lang, 3,75 Meter breit, hat einen Tiefgang von 2,1 Metern. Sie haben 380 Liter Trinkwasser und 150 Liter Diesel an Bord. Das Schiff verfügt über zwei Kabinen mit Betten. Im Salon könnte zudem der Tisch heruntergelassen werden und als Schlafgelegenheit umfunktioniert werden. Bedarf bestünde durchaus, sagt Jennifer Wiedermann, die in Chicago geboren wurde, weil ihre Eltern zu dem Zeitpunkt in den USA lebten. „Bis zur Karibik sind wir bereits ausgebucht mit Freunden, die uns begleiten wollen. Wir wollen aber nicht, dass mehr als vier Personen an Bord sind, damit ausreichend Platz bleibt.“ Es werde trotzdem spannend, sein, zu sehen, wie es ist, für längere Zeit nur einen Gesprächspartner zu haben, äußert sie. „Freiräume lassen, zuhören und miteinander reden sind da ganz wichtig.“
Sie hält den Zeitpunkt der Reise für gut gewählt. „Wir sind jung. Mit zunehmenden Alter wird es schwieriger, so etwas in die Tat umzusetzen, und wir haben beide die Möglichkeit, in unsere Jobs zurückzukehren.“ Jonas Wilharm ist 26 Jahre alt. Geht es nach den beiden, wollen sie die drei Jahre komplett nutzen, um zu reisen. Dafür hätten sie in den vergangenen beiden Jahren gespart. Jennifer Wiedemanns Arbeitgeber hat ihr aber bereits eine Hintertür geöffnet. „Mir wurde angeboten, dass ich von Australien aus arbeiten kann und Kochgas von dort nach Polynesien transportieren könnte.“ Wichtig ist ihnen vor allem, dass sie Zeit haben, in andere Kulturen einzutauchen und sich nicht abhetzen zu müssen, um möglichst viel zu sehen. Sie freut sich besonders auf Indonesien. Dort sei sie beruflich schon einmal gewesen, habe aber wenig Zeit gehabt, so die 29-Jährige. Jonas Wilharm ist auf Französisch-Polynesien im Südpazifik gespannt. „Das ist ein Winkel der Erde, bei dem es selbst mit dem Flugzeug vergleichsweise umständlich ist, hinzureisen“, sagt er.
Die beiden folgen der sogenannten Barfußroute. Segler, die die Route wählen, nutzen die Passatwinde. So entfällt das ständige Aufkreuzen gegen den Wind. Zunächst geht es in Richtung England, von dort in eines der anspruchsvollsten Segelreviere der Welt, wie die Klosterlechfelderin sagt: die Biskaya vor Frankreich. Weiter geht es zu den Kanaren, wo sie einen geeigneten Ankerplatz finden müssen. Das sei schwieriger als in anderen Revieren, weil die Insel vulkanischen Ursprungs ist. „Wir werden auf der windabgewandten Seite ankern und haben dafür eine 80 Meter lange Kette dabei“, berichtet Jennifer Wiedermann. Liegeplätze in Häfen wollen die beiden möglichst selten in Anspruch nehmen. Weiter geht es danach in die Karibik, wo sie von Anfang Dezember bis Mitte April bleiben wollen, dann geht es durch den Panamakanal weiter in den Pazifik.
In Neuseeland besuchen die Weltumsegler Freunde
Einen längeren Stopp haben sie auch in Neuseeland eingeplant, weil dort Freunde leben. „Eventuell werden wir von dort auch mal nach Hause fliegen und die Familie besuchen“, sagt die 29-Jährige. Die Wohnung in Kiel ist gekündigt und der Wohnsitz zu den Eltern umgemeldet. Wegen der finanziellen Angelegenheiten und der Versicherungen sei es besser, noch über einen Wohnsitz in Deutschland zu verfügen, sagt sie. Über Indonesien und Malaysia geht es dann weiter Richtung Suezkanal. Die Problematik mit der Piraterie in dem Bereich der Welt habe sich „glücklicherweise in den vergangenen Jahren wieder entspannt“, sagt die Offizierin.
Wer die beiden virtuell auf ihrer Reise begleiten möchte, kann dies im Internet unter https://strongsails.de tun.