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Landsberg: Kinder und Frauen müssen besser vor Gewalt geschützt werden

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Kinder und Frauen müssen besser vor Gewalt geschützt werden

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    Tina Steiger hält zum „Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen“ einen Vortrag in Landsberg.
    Tina Steiger hält zum „Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen“ einen Vortrag in Landsberg. Foto: Christian Rudnik

    Die Zahlen sind erschreckend. Nach einer Auswertung des Bundeskriminalamts (BKA) ist in Deutschland die Zahl der weiblichen Opfer häuslicher Gewalt 2023 um 5,6 Prozent auf 180.715 gestiegen. Tina Steiger aus Dießen war, wie sie sagt, jahrelang selbst eine Betroffene. Inzwischen setzt sie sich unter anderem im Initiativkreis Frauenhaus Landsberg dafür ein, dass Frauen und Kinder besser vor Gewalt geschützt werden. Patriarchale Strukturen sind laut Steiger in der Gesellschaft noch immer verbreitet – mit verheerenden Folgen. Zum „Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen“ wird sie in Landsberg einen Vortrag halten.

    Für die Journalistin Tina Steiger, die früher Chefredakteurin von Wohnmagazinen war, sind die vom BKA vorgelegten Zahlen nur die Spitze des Eisbergs. Es gebe überall – und so auch im Kreis Landsberg – eine horrend hohe Dunkelziffer. Denn: „Viele Fälle gelangen nicht zur Polizei oder zur Staatsanwaltschaft.“ Die Angst der Frauen sei zu groß, so Steiger, und auch das persönliche Umfeld verhindere oft eine Anzeige. Ebenfalls aus dem BKA-Lagebild geht hervor, dass es vergangenes Jahr 360 Femizide in Deutschland gab. So wird die Tötung von Frauen durch Männer aufgrund ihres Geschlechts bezeichnet. „Es ist extrem wichtig, dass Femizide auch als solche benannt werden“, sagt Tina Steiger. „Nur so wird ersichtlich, dass es sich um ein strukturelles Problem handelt.“ In der Gesellschaft seien patriarchale Rollenbilder nach wie vor verbreitet. Steiger spricht in dieser Hinsicht von „finsteren Zeiten“. Die Täter sähen ihre Partnerinnen oftmals als Besitz oder Erweiterung ihres Selbst. „Wenn eine Frau dann Selbstbestimmung einfordert, ist das für sie ein extremer Kontroll- und Egoverlust.“

    Gefordert wird ein besserer Schutz von Frauen und Kindern durch Familiengerichte

    Tina Steiger nennt viele Stellschrauben, an denen gedreht werden muss. Ganz entscheidend sei, was in der eigenen Familie vorgelebt wird. Doch gleichermaßen sieht sie die Politik in der Pflicht. Als großes Problem erachtet die 45-Jährige, dass Frauen und Männer in der Gesellschaft noch immer nicht gleichgestellt sind. Durch Mutterschutz, Elternzeit oder das Arbeiten in Teilzeit könne eine „finanzielle Abhängigkeit vom Mann“ entstehen, erklärt Steiger. Bezeichnend – und auch statistisch belegt – ist nach ihrer Aussage, dass viele Frauen im Alter zwischen 30 und 40 Jahren von partnerschaftlicher Gewalt betroffen sind. Dann, wenn für Mütter die Betreuung der Kinder im Fokus steht.

    Auch sind laut Steiger Frauen und ihre Kinder bei weitem nicht ausreichend durch Jugendämter und Familiengerichte vor Gewalt geschützt. Wenn ein Vater in der Beziehung gewalttätig war oder die Ex-Partnerin stalkt, werde sein Recht auf den Umgang mit dem Kind trotzdem durchgesetzt, sagt sie. Und damit verliere er auch nicht das „Zugriffsrecht an der Mutter“. Deshalb sei in solchen Fällen nicht nur der Zeitpunkt rund um eine Trennung gefährlich. Sondern auch die Zeit danach, wenn die Frau wieder ein selbstbestimmtes Leben führe. Immer wieder ist Steiger zufolge zu beobachten, dass Femizide zeitversetzt passierten.

    Im Landkreis Landsberg braucht es Schutzräume für Frauen und Kinder

    Die Dießenerin kommt in diesem Zusammenhang auf die Istanbul-Konvention zu sprechen. Dabei handelt es sich um eine andere Bezeichnung für die Europaratskonvention zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt. „Die Istanbul-Konvention sieht eigentlich vor, dass das Umgangs- und Sorgerecht in schweren Fällen auszusetzen ist“, sagt Steiger. Die Bundesrepublik Deutschland sei bereits des Öfteren „angemahnt“ worden, da in der Konvention festgehaltene Verpflichtungen nicht umgesetzt würden. Die Dießenerin berichtet aber auch von positiven Beispielen. München habe ein eigenes Modell für Trennungen entwickelt, einen Sonderleitfaden, in dem die Istanbul-Konvention umgesetzt werde. Tina Steiger sieht darin ein Beispiel, dass auch auf kommunaler Ebene etwas bewirkt werden kann. „Es ist nur eine Frage des politischen Willens“, sagt sie.

    Die 45-Jährige hat sich der Betroffenen-Initiative „Die Nächste“ angeschlossen. Außerdem ist sie Vorstandsmitglied des Initiativkreises Frauenhaus Landsberg. Die Idee, im Landkreis für mehr Schutzräume für Frauen und Kinder zu sorgen, gebe es schon lange. „Es sind acht Plätze, die wir bräuchten, und die unter Umständen über Leben und Tod entscheiden können“, sagt Steiger. Auch wenn die Umsetzung eines Frauenhauses oder einer ähnlichen Einrichtung aktuell noch nicht in Sicht ist, habe der Initiativkreis viel erreicht. Laut Steiger sind Vernetzungsstrukturen und ein Bewusstsein in der Öffentlichkeit für das Thema geschaffen worden.

    Tina Steigers kompletter Fokus liegt momentan auf der Beratung von Betroffenen, der Recherche und der Aufklärung zum Problemfeld Gewalt an Frauen. Am Montag, 25. November, ist der „Internationale Tag gegen Gewalt an Frauen“. Zu diesem Anlass planen die Stadt Landsberg, der Inner Wheel Club Ammersee und der Initiativkreis Frauenhaus einen Informationsabend in den Räumen der VHS. Um 18.30 Uhr ist ein künstlerischer Beitrag der Schauspielerin und Kabarettistin Monica Calla geplant. Unter dem Titel „Gewaltschutz – Frauenrechte – Kinderschutz“ beleuchtet Tina Steiger anschließend die zunehmende Bedrohung von Frauen- und Kinderrechten in Europa und zeigt auf, wie unzureichende Gesetzesumsetzungen und der Einfluss rechtspopulistischer Bewegungen den Schutz von Gewaltopfern gefährden. Abschließend stellt Susanne Stegmaier, Gleichstellungsbeauftragte des Landkreises, ihre Arbeit vor.

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