Der Vorschlag des Amts für Jugend und Familie, den Vertrag mit SOS-Kinderdorf Ammersee-Lech als Träger der Erziehungsberatungsstelle zu kündigen, schlägt hohe Wellen. Im Landkreis Landsberg tätige Kinderärzte sowie Kinder- und Jugendpsychologen kritisieren das Ansinnen heftig und fordern den Erhalt der Beratungsstelle. Wie berichtet, hatte der Jugendhilfeausschuss des Kreistags eine Entscheidung über die Kündigung vertagt.
SOS-Kinderdorf ist seit 1979 Träger der Erziehungsberatungsstelle in Landsberg. Mütter und Väter finden dort Unterstützung, wenn sie sich zum Beispiel Sorgen um die Entwicklung ihres Kindes machen, es Probleme im Zusammenleben in der Familie gibt oder eine Trennung oder Scheidung ansteht. Mitte Oktober hatte SOS-Kinderdorf Ammersee-Lech auf der Grundlage des Kooperationsvertrags beantragt, den jährlichen Zuschuss des Landkreises um 77.000 Euro auf 595.000 Euro zu erhöhen. Als Grund wurden zu erwartende Steigerung bei Personal- und Sachkosten genannt.
Die Landkreisverwaltung empfahl den Mitgliedern des Jugendhilfeausschusses, dem Antrag von SOS-Kinderdorf nachzukommen, was auch einstimmig erfolgte. Allerdings wird die Kostenentwicklung kritisch gesehen. Zudem sei die Leistung nach Ansicht des Amts für Jugend und Familie bei einer Summe von rund 2,4 Millionen Euro in vier Jahren auszuschreiben. Deswegen schlug die Verwaltung vor, den bestehenden Vertrag im Dezember zum Ablauf Ende 2025 zu kündigen, um Ausschreibung und Vergabe zum 1. Januar 2026 möglich zu machen.
Landsberger Kinderarzt lobt die Arbeit der Beratungsstelle
Dr. Oliver Wiese ist Kinderarzt in Landsberg und hat sich im Namen aller im Landkreis tätigen Kinderärztinnen und Kinderärzte an unsere Redaktion gewandt. „Das Vorhaben, den Fortbestand der SOS-Beratungsstelle aus finanziellen Gründen infrage zu stellen, macht mich fassungslos“, schreibt er. Die Beratungsstelle leiste eine überragend gute und so dringend notwendige Arbeit. Der Bedarf an psychischer Unterstützung und Begleitung vieler Kinder und Jugendlicher sei riesig, die Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten hätten mitunter monatelange Wartezeiten. „Und so vergeht keine Woche, an der ich nicht mehrfach eine Vorstellung in der Beratungsstelle empfehle.“ Kindern, Jugendlichen und deren Eltern werde dort zeitnah geholfen. Die dort tätigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter seien ohne Ausnahme in hohem Maße engagiert, fachlich kompetent. „Es kann doch nicht ernsthaft erwogen werden, eine so kostbare und seit Jahrzehnten bewährte Einrichtung des Landkreises aus finanziellen Gründen infrage zu stellen - mit der Vorstellung, es anderweitig billiger zu bekommen“, schreibt Oliver Wiese.
Auch die in der Region ansässigen Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutinnen Ursula Eberle, Anita Fichtl-Schott, Sandra Pflaum, Elke Huber und Helene Bücken haben unserer Redaktion geschrieben. „Wir sind erschüttert zu lesen, dass der Vertrag mit einer so verlässlichen, fachlich hochkompetenten Stelle aufgrund von Sparmaßnahmen aufgekündigt werden soll. Die Leidtragenden dieser möglichen Aufkündigung sind die Kinder, Jugendlichen und Familien des Landkreises Landsberg.“ Laut dem Jahresbericht hätten im vergangenen Jahr über 700 Familien die Beratungsstelle aufgesucht. Diese Zahl spreche für sich. „Gerade in diesen unruhigen Zeiten, wo es Kontinuität, Verlässlichkeit und ein hohes Maß an Fachlichkeit für Kinder, Jugendliche und Eltern benötigt, wird aus unserer Sicht, völlig an der falschen Stelle gespart und verlässliche Strukturen aufgelöst.“
Kein vergleichbares Angebot für Kinder, Jugendliche und Eltern im Landkreis Landsberg
Die fünf Kinder- und Jugendlichentherapeutinnen schätzen die profunde fachliche Arbeit der Mitarbeiter der Erziehungsberatungsstelle, die für die Kinder, Jugendlichen und Familien in nahezu allen Bereichen rund um das Thema Erziehung, Trennung und Scheidung, Krisen, ein verlässlicher Ansprechpartner sind, heißt es in dem Schreiben. Die Beratungsstelle habe in jahrelanger Aufbauarbeit Vernetzungsarbeit und wichtige präventive Angebote im Landkreis geschaffen und initiiert. „Die SOS-Beratungsstelle bietet eine schnelle Hilfe an und übernimmt eine wichtige Clearingfunktion, welche weiteren Hilfen für Kinder, Jugendlichen und deren Eltern benötigt werden. Es gibt kein vergleichbares Angebot für Kinder, Jugendliche und Eltern im Landkreis Landsberg.“
Karin Schürmann leitet die Erziehungsberatungsstelle in der Spöttinger Straße in Landsberg. Auf Nachfrage unserer Redaktion äußert sie sich. „Auch wir waren mehr als betroffen, als wir die Tagesordnung für die Jugendhilfeausschusssitzung zugestellt bekamen und auf diesem Weg erfuhren, dass es uns im Dezember 2025 nicht mehr geben soll.“ Schürmann hat wenige Tage nach der Sitzung ein Schreiben an alle Kreisrätinnen, Kreisräte, Bürgermeister und freie Träger versendet, um über die Situation sachlich zu informieren. Auch der Landrat und der Jugendamtsleiter hätten das Schreiben erhalten. „Wichtig ist uns aktuell möglichst in einem guten Austausch kompetent und fachlich in Verhandlung zu gehen“, teilt Karin Schürmann mit.
Der Jugendhilfeausschuss hat noch nicht entschieden, ob der Vertrag mit dem SOS-Kinderdorf gekündigt wird. Die Verwaltung hat vorgeschlagen, den Vertrag Ende 2025 zu beenden, damit die Leistungen neu ausgeschrieben werden können. Ziel ist es, die Kosten besser zu kontrollieren und eventuell einen neuen Träger zu finden. Es wurde jedoch bereits beschlossen, den jährlichen Zuschuss für die Beratungsstelle zu erhöhen. Das heißt, die Beratungsstelle soll nicht abgeschafft werden, aber es könnte Änderungen beim Träger oder in der Organisation geben. Fixed it for you. Gern geschehen.
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