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Landsberg: Märchenhaftes Kunsthandwerk made in Landsberg

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Märchenhaftes Kunsthandwerk made in Landsberg

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    Katharina Rücker-Weininger ist nicht nur Illustratorin, sondern auch gelernte Buchbinderin.
    Katharina Rücker-Weininger ist nicht nur Illustratorin, sondern auch gelernte Buchbinderin. Foto: Thorsten Jordan

    Bald 20 Jahre sei es her, dass sie ihr erstes Buch auseinandergenommen habe. Die Liebe für das Kunsthandwerk habe lange in ihr geschlummert, erzählt Katharina Rücker-Weininger aus Seestall. Während der Pandemie hat sich die Illustratorin und Galeristin dann wieder auf ihr Handwerk zurückbesonnen und eine Werkstatt in ihrem Zuhause eingerichtet. In ihrer „ArtGallery“ im Landsberger Hinteranger bietet die Galeristin deshalb seit diesem Jahr neben ihrer Kunst auch Buchrestaurierung, Maßpapeterie und vor allem Sondereinbände an.

    Eigentlich wollte sie Malerei an einer Kunstakademie studieren. „Doch dafür musste man damals ein Kunsthandwerk gelernt haben“, erinnert sich die Frau mit der freundlichen Stimme. Als „riesengroße Leseratte“, wie sie selbst bezeichnet, fiel die Wahl auf die Handbuchbinderei. In Deutschland gebe es leider nur eine geringe Nachfrage nach solchen Objekten, obwohl per se die Liebe zum Buch vorhanden sei. Ganz anders in Großbritannien: Dort sei der Markt vorhanden und die Tradition für das Kunsthandwerk entstanden. Kein Wunder, dass quasi die Bibel der Buchbinder von einem Engländer geschrieben wurde. Arthur W. Johnsons Idee umschreibt Rücker-Weininger so: „Buchbinden kann alles sein, vom Handwerk über das Malen bis hin zum Bildhauen.“

    Buchbinderin restauriert und gestaltet Bücher

    Nach ihrer Gesellenprüfung in München verbrachte sie ein Wanderjahr in Großbritannien bei einem „Designer Bookbinder and Restorer“ im Londoner Süd-Westen. „Dort befasste ich mich intensiv mit der englischen Art der Einbandgestaltung, bei der man besonderen Wert darauf legt, jedem Buch ein unverwechselbares und einzigartiges Äußeres zu geben“, sagt die kreative Frau, die sich sehr gerne an ihre Zeit in

    Britische „Designer Bookbinder“ beschäftigen sich zuerst mit dem Text des neu zu bindenden Buches und entwickeln dann die Idee zur Gestaltung der Buchdeckel. Diese kostbaren Unikate werden in aufwendig gearbeiteten Kassetten oder Schubern aufbewahrt.

    Ein repräsentatives Beispiel für diese besondere Art der Buchbinderei ist die fertiggestellte Restaurierung einer alten Taschenbuchausgabe von „Der kleine Hobbit“, erschienen 1974 im dtv Verlag, illustriert von Klaus Ensikat. Der Zustand des Paperback war desolat, der vordere Buchdeckel und der Rücken fehlten, die Seiten waren zum Teil zerrissen und mit Tinte und Kugelschreiber beschrieben. „Das Buch gehört einer jungen Frau aus München“, erklärt die Buchbinderin. Es habe zwei Generationen durch Kindheit und Jugend begleitet und sollte nun ein würdiges neues Outfit bekommen. Vorgaben machte die Besitzerin Rücker-Weininger keine. Genauso gebe es aber auch Kunden und Kundinnen, die mit ganz konkreten Vorstellungen zu ihr kämen, bescheinigt die Seestallerin.

    Aus einem stark gebrauchten "Kleinen Hobbit" wurde eine Schmuckausgabe.
    Aus einem stark gebrauchten "Kleinen Hobbit" wurde eine Schmuckausgabe. Foto: Thorsten Jordan

    Das Taschenbuch wurde sorgsam auseinandergenommen, die einzelnen Seiten gereinigt, Risse und fehlende Ecken wurden ersetzt. Rücker-Weininger wählte als Motiv für den neuen Einband eine wichtige Figur der Geschichte: den Drachen Smaug. Die Kunsthandwerkerin modellierte auf dem neuen Buchdeckel seine Augenpartie und bemalte sie lebensecht. Zuletzt bestückte sie den Halblederband dann noch mit schwarzen „Brillianten“ – schließlich schläft Smaug in seinem Berg auf einem mächtigen Schatz. Um die fragilen Stacheln und Schuppen zu schützen, liegt das Buch in einer maßgearbeiteten Kassette, die außen mit einem Florentiner Papier bezogen ist, das den Betrachter an einen märchenhaften Drachenwald erinnert. Innen ruht das Buchobjekt auf schwarzem Ingresbütten.

    Aus einem zerschlissenen Taschenbuch mit einem Wert von zehn Cent ist durch die aufwendigen Arbeiten ein Kunstwerk entstanden. 360 Euro habe die Buchrestaurierung gekostet. „Der Aufwand ist dafür unglaublich“, weiß auch Rücker-Weininger, doch der ideelle Wert sei nicht zu unterschätzen. Und so sei auch die Besitzerin über das Ergebnis sehr glücklich gewesen, die das Buch vorerst als Anschauungsmaterial in der Galerie gelassen hat.

    Die Buchbinderei ist körperlich anstrengend

    In der Heftlade wird das Buch mit einem Faden geheftet.
    In der Heftlade wird das Buch mit einem Faden geheftet. Foto: Thorsten Jordan

    Klopfen, binden, heften und schneiden: Die Arbeit einer Buchbinderin ist neben der filigranen Arbeit oftmals körperlich anstrengend. Auch die Bücher müssen einiges mitmachen. So müsse ein „zerlesenes Buch“ eine Woche in der Stockpresse in ihrer Werkstatt liegen, und vergilbten und verdreckten Seiten wird mit einer Speziallauge der Garaus gemacht.

    Während für andere Buchbinder der künstlerische Wert im Vordergrund steht und gerne auch einmal Bücher zerschnitten werden, um daraus Skulpturen entstehen zu lassen, arbeitet Rücker-Weiniger unter einer anderen Maxime: „Meine wichtigste Voraussetzung ist, das die Kunst nicht das Buch überdeckt. Es muss lesbar bleiben.“ Das gilt auch für ihre Leidenschaft für Miniaturbücher, für die sie zum Beispiel eine Bergkulisse aus Karton modelliert hat, um eine Szene aus William Shakespeares Theaterstück „Der Sturm“ zu veranschaulichen.

    Buchbinder haben damit unzählige Möglichkeiten, das geschriebene Wort optisch und haptisch umzusetzen. Neben aufwendigen Buchobjekten bietet Rücker-Weininger auch deutlich einfachere und damit kostengünstigere Konservierungsmöglichkeiten an. Dem Geist der englischen Einbanddesigner möchte sie jedoch auch hier treu bleiben. „Der Einband muss zum Alter des Buchs passen.“ Dafür verfügt die Buchbinderin über einen großen Fundus an Buntpapiermustern aus verschiedenen Epochen, um jedem Buch sein ganz eigenes und passendes Äußeres zu geben. Unter wenn sich kein passender Einband findet? Dann greift die Illustratorin selbst zum Stift und entwirft ein eigenes Muster.

    Buchprojekte können zu den Öffnungszeiten, Freitag 15 bis 18 und Samstag 11 bis 14 Uhr, oder nach Anmeldung in der ArtGallery besprochen werden. Die Webseite der Galerie lautet www.artgallery-landsberg.de.

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